Unser interaktiver AI Hub informiert über die neuesten Trends und Entwicklungen.
Am 1. Dezember 2020 tritt das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG) in Kraft.
Mit der WEG-Reform soll das aus dem Jahre 1951 stammende Wohnungseigentumsgesetz und spezielle Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches modernisiert und an die Bedürfnisse der heutigen Zeit angepasst werden. Die Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaften soll effektiver gestaltet und bauliche Maßnahmen, die unter anderem der energetischen Sanierung sowie der Barrierereduzierung dienen, von den Wohnungseigentümern vereinfacht umgesetzt werden können. Dabei wirken sich die neuen Regelungen vielfach (unmittelbar oder mittelbar) auf die Transaktionspraxis aus und sind bei An- und Verkäufen von Wohnungseigentumsanlagen und einzelnen Wohnungseigentumseinheiten gleichermaßen zu berücksichtigen.
Die WEG-Reform beinhaltet folgende transaktionsrelevante Änderungen, die sowohl Bestandshalter als auch Investoren im Blick haben sollten:
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsteht nunmehr nicht mehr mit der Umschreibung des ersten Wohnungs- oder Teileigentumsgrundbuchs auf einen Erwerber sondern bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher als sogenannte „Ein-Personen-Gemeinschaft“ (§ 9a WEG). Damit ist der teilende Eigentümer, meist der Bauträger, in vielen Fällen zunächst alleine „die WEG“. Bauträger und Investoren müssen sich zukünftig darauf einstellen, dass auch eine solche Ein-Personen-WEG bereits den Vorschriften des Wohnungseigentumsrechts unterliegt und nach diesen zu verwalten ist.
Zu beachten ist, dass auch in den Fällen, in denen ein Bauträger oder ein Investor zunächst alleine „die WEG“ ist, diese Ein-Personen-Gemeinschaft als Verbraucherin (§13 BGB) WEGnzusehen ist. Damit unterliegen die von der WEG geschlossenen Verträge den verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 305 ff BGB. Lediglich in Fällen, in denen ausgeschlossen werden kann, dass ein Verbraucher Mitglied der WEG wird, soll dieser Grundsatz nicht gelten, etwa bei der Aufteilung eines Einkaufzentrums in Teileigentumseinheiten. Sobald aber nur eine Wohnung gebaut wird, kann der Erwerb durch einen Verbraucher nicht ausgeschlossen werden, so dass die Ein-Personen-Gesellschaft in einem solchen Fall als Verbraucherin anzusehen ist.
Für den Erwerb vom teilenden Eigentümer stellt § 8 Abs. 3 WEG klar, dass der Erwerber gegenüber der Gemeinschaft und den anderen Wohnungseigentümern als Wohnungseigentümer gilt, sobald ihm der Besitz an den zum Sondereigentum gehörenden Räumen übergeben wurde. Auch der erste Erwerber tritt nach der neuen Rechtslage zu diesem Zeitpunkt der bereits bestehenden Gemeinschaft bei. Die richterrechtliche Konstruktion der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft ist damit überholt.
Neugeregelt und konkretisiert wurde neben der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch welche Rechte der Wohnungseigentümer durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt und welche Pflichten durch sie wahrgenommen werden. Die bisherige Unterscheidung zwischen der sog. geborenen Ausübungsbefugnis, die aufgrund gesetzlicher Anordnung besteht, und der sog. gekorenen Ausübungsbefugnis, die einen Beschluss der Wohnungseigentümer voraussetzt, wurde dabei aufgegeben. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die ein einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr (§ 9a Abs. 2 WEG).
Im Hinblick auf die Dauerbrenner-Themen Abnahme des Gemeinschaftseigentums und Mängelrechte aus dem Bauträgervertrag stellt die Gesetzesbegründung jedoch klar, dass die Rechtsprechung zum Bauträgervertragsrecht, wonach die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Beschlussfassung bestimmte Mängelrechte ausüben kann durch den Entwurf unberührt bleiben und die Streichung der gekorenen Ausübungsbefugnis keine Auswirkungen hierauf haben soll. Die Verfolgung von Mängelrechten durch die Gemeinschaft bleibt nach den allgemeinen Regeln möglich (Übertragung des Rechts oder Einräumung einer Prozessstandschaft).
Mehr Rechtssicherheit bringt die gesetzgeberische Entscheidung, dass statt den Wohnungseigentümern nunmehr die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt (§ 18 WEG). Zudem ist der Verwalter als gesetzlicher Vertreter der Gemeinschaft in seiner Stellung verstärkt und seine Vertretungsmacht im Außenverhältnis nun unbeschränkt ausgestaltet (§ 9b WEG). Auch dies bringt Rechtssicherheit und erleichtert den Rechtsverkehr mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Durch die Vorverlagerung der Entstehung der WEG (s.o.) haben auch Investoren und Bauträger diese Neuverteilung der Aufgaben und Wahrnehmung von Rechten und Pflichten im Blick zu behalten und in ihr Handling zu integrieren.
Die Beschlussfassung über bauliche Veränderungen der Wohnanlage wurde vereinfacht. Diese können zukünftig mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst werden (§ 20 Abs. 1 WEG), ohne dass es – wie bisher – auf die Zustimmung aller von einer Maßnahme beeinträchtigten Eigentümer ankommt. Die Wohnungseigentumsgemeinschaft kann dabei durch Beschluss festlegen, ob entweder die Gemeinschaft selbst die bauliche Veränderung vornimmt oder die Umsetzung einem Wohnungseigentümer gestattet wird.
Investoren, die nicht sämtliche Einheiten einer Wohnungseigentumsanlage halten, werden diese Neuerung begrüßen. Es ist von enormer praktischer Bedeutung, dass Minderheitseigentümer nun nicht mehr bauliche Maßnahmen blockieren können. Zur Gewährleistung des Schutzes des Minderheitseigentümers dürfen lediglich bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen nicht beschlossen und nicht gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden (§ 20 Abs. 4 WEG).
Die vereinfachte Beschlussfassung geht jedoch damit einher, dass per se erstmal derjenige Wohnungseigentümer die Kosten der baulichen Maßnahme zu tragen hat, dem die Veränderung gestattet wurde oder die auf sein Verlangen durchgeführt wurde (z.B. der Einbau einer E-Ladestation, siehe § § 21 Abs. 1 WEG). Dabei ist zu beachten, dass dies für alle Kosten gilt, die auf der baulichen Veränderung beruhen, also nicht nur für die Baukosten, sondern insbesondere auch für die Folgekosten für Gebrauch und Erhaltung. Nur wenn die bauliche Veränderung mit (1.) mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde und nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, oder (2.) sich die Kosten der baulichen Veränderung innerhalb eines angemessenen Zeitraumes amortisieren, sind alle Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 2 WEG entsprechend ihren Miteigentumsanteilen zur Kostentragung verpflichtet.
Beim Erwerb von Wohnungseigentumseinheiten bleibt daher die Einsichtnahme in die Beschluss-Sammlung wichtiger Teil der Due Diligence, um (u.a.) festzustellen, ob der Veräußerer baulichen Veränderungen zugestimmt hat oder nicht bzw. die qualifizierte Mehrheit (s.o.) erreicht wurde und der Erwerber somit in die Kostentragungspflicht aber auch die Nutzungen eintritt. Im Kaufvertrag sollte darauf geachtet werden, dies entsprechend durch Garantien/Zusicherungen/Kenntniserklärungen des Veräußerers abzusichern.
Zusätzlich zu der vorstehenden Vereinfachung von baulichen Veränderungen hat nun jeder Wohnungseigentümer einen Rechtsanspruch darauf angemessene bauliche Veränderungen zu verlangen, die ihm auf eigene Kosten den Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug, den barrierefreien Aus- und Umbau, die Setzung von Maßnahmen zur Verbesserung des Einbruchsschutzes sowie zum Anschluss eines Glasfaseranschlusses gestatten (§ 20 WEG). Begleitet wird diese Regelung durch die vorgenommene Anpassung des § 544 BGB, wonach nun auch jeder Mieter einen Anspruch gegen seinen Vermieter hat, dass dieser ihm die Vornahme der vorgenannten privilegierten baulichen Maßnahmen auf eigene Kosten erlaubt.
Durch die Erleichterung des Einbaus von Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge liefert die WEG-Novelle einen wichtigen Beitrag für das Erreichen der Klimaziele. Dazu, welche Herausforderungen dies gleichzeitig insbesondere für die Mietvertragsparteien zukünftig mit sich bringen wird (siehe dazu auch den Blogbeitrag vom 14.04.2020).
Unmittelbare Auswirkung auf die zukünftige Beschreibung des Kaufgegenstandes hat, dass Stellplätze – auch solche im Freien – nunmehr als Räume im Sinne des WEG gelten und somit nicht länger als Sondernutzungsrechte „Anhängsel“ des Sondereigentums sind, sondern selbst zum Sondereigentum erklärt werden können. Auch an anderen Freiflächen die außerhalb des Gebäudes liegen, wie z.B. Terrassen oder Gartenanteile kann künftig gemeinsam mit den entsprechenden Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten Sondereigentum begründet werden (§ 3 WEG).
Freiflächen und Stellplätze, auf die sich das Sondereigentum erstrecken soll, sind dabei durch Maßangaben im Aufteilungsplan zu bestimmen. Das Grundstück ist damit nicht mehr zwingend vollständig gemeinschaftliches Eigentum und der Aufteilungsplans hat dadurch weiter an Bedeutung gewonnen. Dessen detaillierte Prüfung muss daher fester Bestandteil jeder Due Diligence beim Verkauf/Erwerb einer Wohnungseigentumsanlage sein.
Der Schutz von Erwerbern vor unbekannten, aber womöglich besonders belastenden Beschlüssen ist verstärkt worden, da sich die Einsichtnahme in die Beschluss-Sammlung in der Praxis nicht als effektiver Schutz bewährt hat. Beschlüsse, die aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel gefasst werden, sind zum Schutz von Erwerbern diesen gegenüber daher nur gültig, wenn sie im Grundbuch eingetragen sind; dies gilt – trotz Kritik – jedoch weiterhin nicht für Beschlüsse, die aufgrund einer gesetzlichen Öffnungsklausel gefasst werden. Daher bleibt beim Erwerb von Wohnungseigentumseinheiten die Einsichtnahme in die Beschluss-Sammlung weiterhin wichtiger Teil der Due Diligence.
Die WEG-Novelle bringt in einigen transaktionsrelevanten Bereichen Rechtssicherheit, etwa hinsichtlich der Entstehung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und des Erwerbs vom teilenden Eigentümer. Ebenso ist die Erweiterung der Sondereigentumsfähigkeit von Stellplätzen und Freiflächen zu begrüßen. Aus Investorensicht ist zudem die erfolgte Vereinfachung baulicher Veränderungen erfreulich und dürfte so manches Investment in ältere Wohnanlagen interessanter werden lassen. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber gute Ansätze geschaffen, die es den Wohnungseigentümern ermöglichen, ihr Eigentum einfacher an ihre speziellen Bedürfnisse anzupassen. Allerdings ist jetzt schon absehbar, dass die Novelle neue Schwierigkeiten und Herausforderungen für die Praxis mit sich bringen wird. Dies dürfte insbesondere die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Einbau von E-Ladesäulen und damit verbundene Kostenfragen betreffen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
Verfasst von Sabine Adams und Kerstin Schoening.