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Digitalisierung im Verbraucherrecht (Teil 2)

Neue Vorschriften für digitale Produkte

Der Bundestag hat am 25.06.2021 das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ beschlossen. Das Gesetz setzt die europäische Digitale Inhalte-Richtlinie um und stärkt die Rechte von Verbrauchern im Zusammenhang mit der Bereitstellung von digitalen Inhalten oder digitalen Dienstleistungen durch einen Unternehmer.

Hintergrund 

Im Zuge der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung wurden auf europäischer Ebene bereits vor einiger Zeit zwei bedeutende Richtlinien erlassen, welche die Rechte von Verbrauchern deutlich stärken sollen: (1) die Warenkauf-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771), über deren nationale Umsetzung wir bereits berichteten, und (2) die Digitale Inhalte-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/770).

Der deutsche Gesetzgeber hat mit seinem „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ vom 25.06.2021 zwischenzeitlich auch die Digitale Inhalte-Richtlinie umgesetzt.

Das Gesetz hat erhebliche Neuerungen im BGB zur Folge, da nunmehr spezielle Regelungen im Zusammenhang mit der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen („digitale Produkte“), die bislang im BGB generell fehlten, an mehreren Stellen in das BGB aufgenommen werden. Die neuen Regelungen gelten ab dem 01.01.2022.

Wesentliche Neuerungen

Das Gesetz sieht im Wesentlichen folgende Neuerungen im BGB vor:

a) Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB bei Bereitstellung von Daten durch Verbraucher

Nach aktuellem Recht finden die §§ 312 ff. BGB nur auf solche Verbraucherverträge Anwendung, die eine „entgeltliche Leistung“ des Unternehmers zum Gegenstand haben (§ 312 Abs. 1 BGB). Eine solche „Entgeltlichkeit der Leistung“ ist jedenfalls immer dann zu bejahen, wenn der Verbraucher dem Unternehmer die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags schuldet. Da der Begriff „Entgeltlichkeit“ allerdings richtlinienkonform weit auszulegen ist, wird schon länger vertreten, dass auch Verträge, unter denen der Verbraucher dem Unternehmer statt eines Geldbetrags (personenbezogene) Daten zur Verfügung stellt, erfasst sein könnten. Das soll jedenfalls dann gelten, wenn der Unternehmer die bereitgestellten Daten kommerziell nutzen kann. Gesetzlich geregelt war dies bislang hingegen nicht.

Dass die Verbraucherschutzvorschriften auch bei einem „Bezahlen mit Daten“ gelten, wird künftig nunmehr ausdrücklich in § 312 Abs. 1a BGB klargestellt. Demnach sind die §§ 312 ff. BGB in Zukunft ebenfalls auf Verbraucherverträge anzuwenden, bei denen der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet, es sei denn, der Unternehmer verwendet die bereitgestellten Daten ausschließlich dazu, um seine Leistungspflicht oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen zu erfüllen.

b) Verträge über digitale Produkte

Künftig wird in Abschnitt 3 des zweiten Buches des BGB ein neuer Titel 2a „Verträge über digitale Produkte“ eingefügt, der in den §§ 327 ff. BGB spezielle (und komplett neue) Regelungen für Verträge über die Bereitstellung digitaler Produkte enthält.

Dies hat folgenden Hintergrund: Die Digitale Inhalte-Richtline erfasst grundsätzlich jede Bereitstellung von digitalen Produkten und gewährt dem Verbraucher in diesem Zusammenhang spezielle Rechte unabhängig davon, auf welche Weise die Bereitstellung erfolgt. Die entsprechende Bereitstellung kann daher nicht nur einem bestimmten Vertragstyp im BGB zugeordnet werden, sondern kann vielmehr im Rahmen eines Kauf-, Schenkungs-, Miet-, Werk-, Werklieferungsvertrages oder atypischen Vertrages erfolgen. Gleichwohl sollen dem Verbraucher unabhängig vom konkreten Vertragstyp identische Rechte zustehen. Vor diesem Hintergrund hat sich der deutsche Gesetzgeber dazu entschieden, in den §§ 327 ff. BGB allgemeine Regelungen für Verträge über die Bereitstellung digitaler Produkte aufzunehmen.

Um zu gewährleisten, dass auf die Bereitstellung digitaler Produkte die §§ 327 ff. BGB als speziellere Regelungen stets Anwendung finden, wurden zudem bei den einzelnen Vertragstypen Vorschriften eingefügt, die diesen Anwendungsvorrang sicherstellen. Beispielsweise gelten bei einer Miete digitaler Produkte gemäß § 578b Abs. 1 Nr. 1 BGB bei Mängeln nicht die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften, sondern die neuen, spezielleren Gewährleistungsvorschriften für digitale Produkte.

(i) Verbraucherverträge über digitale Produkte

Die §§ 327 bis 327s BGB regeln die Rechte von Verbrauchern unter einem Vertrag über die Bereitstellung digitaler Produkte.

(a) Anwendungsbereich / Abgrenzung zum Kauf von Sachen mit digitalen Elementen

Die neuen Verbraucherschutzvorschriften gelten gemäß § 327 Abs. 1 BGB bei Verbraucherverträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises. Zudem gelten sie, wenn der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet, es sei denn, die oben genannten Voraussetzungen des § 312 Abs. 1a Satz 2 BGB liegen vor (d.h. der Unternehmer verwendet die bereitgestellten Daten ausschließlich dazu, um seine Leistungspflicht oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen zu erfüllen), § 327 Abs. 3 BGB.

Vorsicht ist bei Kaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen geboten: Für Kaufverträge über Waren, die digitale Produkte in einer Weise enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktion ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können, gelten die Regelungen des Kaufrechts (insbesondere die §§ 475b ff. BGB, die in Umsetzung der Warenkauf-RL erlassen wurden), wenn die Waren unter dem gleichen Kaufvertrag wie die digitalen Produkte bereitgestellt werden. Die Vorschriften für digitale Produkte gelten dann nach § 327a Abs. 3 BGB nicht.

(b) Neuer Mangelbegriff für digitale Produkte / Updatepflicht (§§ 327e, 327f BGB)

Für digitale Produkte wird ein neuer Sachmangelbegriff eingeführt. Nach § 327e BGB sollen digitale Produkte künftig nur dann frei von Sachmängeln sein, wenn sie (1) den subjektiven Anforderungen (d.h. was wurde im Vertrag vereinbart?), (2) den objektiven Anforderungen (d.h. was kann der Verbraucher erwarten?), und (3) (soweit eine Integration durchzuführen ist) den Anforderungen an die Integration (d.h. ist die Einbindung in die digitale Umgebung des Verbrauchers ordnungsgemäß?) entsprechen.

Besonders relevant ist zudem die neue „Updatepflicht“: Der Unternehmer muss künftig für digitale Produkte vertraglich vorgesehene sowie notwendige Updates bereitstellen, damit die digitalen Produkte den subjektiven und objektiven Anforderungen entsprechen. Werden die digitalen Produkte dauerhaft bereitgestellt, müssen erforderliche Updates (z.B. Sicherheitsupdates) während des Bereitstellungszeitraums zur Verfügung gestellt werden (§ 327f Abs. 1 Nr. 1 BGB). Ansonsten richtet sich der Zeitraum für erforderliche Updates danach, was der Verbraucher unter Berücksichtigung aller Umstände im konkreten Fall erwarten kann (§ 327f Abs. 1 Nr. 2 BGB). Wie lange der Verbraucher Updates erwarten darf, wird für den Unternehmer zum Teil nur schwer abzuschätzen sein, was zu Rechtsunsicherheiten und potentiellen Streitigkeiten führen kann.

Abweichungen von der „Updatepflicht“ sollen nur nach besonderer Information des Verbrauchers und nur durch ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung möglich sein (vgl. § 327h BGB).

(c) Rechte bei Mängeln (§ 327i BGB)

Liegt ein Mangel vor, kann der Verbraucher gemäß § 327i BGB (1) Nacherfüllung verlangen, (2) den Vertrag beenden oder den Preis mindern und (3) Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

Die Einzelheiten zu den einzelnen Gewährleistungsrechten sind in §§ 327l-327n BGB geregelt. Die Vorschriften haben Ähnlichkeit zu den Gewährleistungsrechten im Kaufrecht. Allerdings bestehen auch einige Abweichungen. Zum Beispiel hat gemäß § 327l Abs. 1 BGB (anders als im Kaufrecht) der Unternehmer die Wahl, wie er einen Mangel beseitigt (z.B. durch Nachbesserung oder durch erneute Bereitstellung).

(d) Verjährung (§ 327j BGB)

Die Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers verjähren nach § 327j Abs. 1 BGB in zwei Jahren. Die Frist beginnt mit der Bereitstellung der digitalen Produkte. Bei dauerhafter Bereitstellung verjähren die Ansprüche aber nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums (§ 327j Abs. 2 BGB). Ansprüche wegen Verletzung der Updatepflicht verjähren nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Zeitraums, innerhalb dessen die Updates bereitgestellt werden müssen (§ 327j Abs. 3 BGB).

(e) Beweislastumkehr (§ 327k BGB)

Wie auch im Kaufrecht gibt es künftig auch bei Verträgen über digitale Produkte eine Beweislastumkehr für den Fall, dass sich eine Vertragswidrigkeit der digitalen Produkte innerhalb einer bestimmten Frist zeigt. Bei dauerhafter Bereitstellung digitaler Produkte gilt die Beweislastumkehr für den gesamten Bereitstellungszeitraum, ansonsten für ein Jahr ab Bereitstellung.

(f) Änderungen an digitalen Produkten (§ 327r BGB)

Will der Unternehmer bei dauerhafter Bereitstellung digitaler Produkte diese über die vertraglich vorgesehenen bzw. notwendigen Updates hinaus ändern (z.B. weil er allen Nutzern eine neue, einheitliche Version zur Verfügung stellen will), ist das künftig nur unter den in § 372r Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen zulässig. Erforderlich ist, dass (1) der Vertrag diese Möglichkeit vorsieht und einen triftigen Grund dafür enthält, der auch vorliegt, (2) dem Verbraucher dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen und (3) der Verbraucher über die Änderung klar und verständlich informiert wird. Werden durch die Änderung die Zugriffsmöglichkeit oder die Nutzbarkeit der Digitalen Produkte für den Verbraucher nicht nur unerheblich beeinträchtigt, bestehen nach § 327r Abs. 2 BGB zusätzliche Pflichten für den Unternehmer. Wenn die Änderung den Verbraucher (1) nicht nur unerheblich beeinträchtigt und (2) dem Verbraucher auch nicht die Zugriffsmöglichkeit und Nutzbarkeit der Ursprungsversion ohne zusätzliche Kosten erhalten bleibt, hat dieser das Recht, den Vertrag zu beenden (§ 327r Abs. 3-5 BGB).

(ii) Vertriebspartner-Regress (§§ 327t, 327u BGB)

Für B2B-Verträge werden in §§ 327t, 327u BGB neue Vorschriften zum Regress zwischen Unternehmern entlang der Vertriebskette der digitalen Produkte eingefügt. Diese gelten immer dann, wenn der Vertrag mit dem Vertriebspartner der Bereitstellung digitaler Produkte an einen Verbraucher dient. Ähnlich wie im Kaufrecht kann der Unternehmer von seinem Vertriebspartner, der sich ihm gegenüber zur Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet hat, Ersatz von Aufwendungen verlangen, die er gegenüber dem Verbraucher wegen einer durch den Vertriebspartner verursachten Nichtbereitstellung bzw. Mangelhaftigkeit der digitalen Produkte tragen musste. Hierbei gilt nach § 327u Abs. 3 BGB die Beweislastumkehr des § 327k BGB entsprechend.

Ausblick

Die fortschreitende Digitalisierung im Wirtschaftsleben führt Schritt für Schritt auch zu Neuerungen im BGB. Die neuen Regelungen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von digitalen Produkten werden vor allem auf das operative Geschäft vieler Unternehmen Auswirkungen haben. Unternehmen werden künftig umfangreiche Pflichten auferlegt und zwar unabhängig davon, ob sie Verbrauchern digitale Produkte kostenpflichtig oder „kostenfrei“ gegen Bereitstellung personenbezogener Daten anbieten. Unternehmer sollten daher die mit den neuen Regelungen verbundenen wirtschaftlichen Folgen (gerade unter Berücksichtigung der Updatepflicht) im Auge behalten. Höchstwahrscheinlich müssen Unternehmer vor dem Hintergrund der künftigen Neuerungen auch ihre operativen Abläufe (z.B. regelmäßige Bereitstellung von Updates) und insbesondere ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den B2C Bereich anpassen. Denn bisher geltende AGB-Regelungen enthalten in der Regel noch keine dezidierten Vorschriften im Zusammenhang mit der Bereitstellung digitaler Produkte.

 

Verfasst von: Golo Edel und David Credo.

 

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