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Durch die Nutzung von NFTs ("non-fungible tokens") können Markenrechte verletzt werden. Dies hat kürzlich die Kammer für geistiges Eigentum des Gerichts erster Instanz in Rom entschieden (Tribunale di Roma, Entscheidung v. 20. Juli 2022, Az. 32072/2022). Die Kammer betont, dass sich der Schutzbereich einer Marke auch auf Waren erstrecke, die nicht in der Nizza-Klassifikation genannt, aber eng mit den in der jeweiligen Klasse enthaltenen Waren verwandt seien. Außerdem besäßen NFTs eine rechtliche Sonderstellung, die unabhängig von dem Inhalt, der dem NFT zugrunde liege, zu beurteilen sei.
Auf EU-Ebene ist die Entscheidung die erste ihrer Art, die Markenverletzungen durch NFTs betrifft. Auch wenn deutsche Gerichte bisher noch keine Gelegenheit hatten, sich mit dieser Frage zu befassen, ist es aufgrund der stetig wachsenden Bedeutung von NFTs nur eine Frage der Zeit, bis dies der Fall sein wird. Vor dem Hintergrund der kürzlich ergangenen Entscheidung des römischen Gerichts geben wir einen ersten Überblick, wie NFTs aus der Sicht des deutschen Markenrechts zu beurteilen sein könnten.
Der Fußballverein Juventus FC (Juventus) ist unter anderem Inhaber der Wortmarken "JUVE" und "JUVENTUS" sowie einer Bildmarke, die aus einem schwarz-weiß gestreiften T-Shirt mit zwei Sternen auf der Brust besteht. Bekanntheit erlangten die Marken vor allem durch weitreichende Merchandising-Aktivitäten in verschiedenen Produktkategorien (darunter Kleidung, Spiele, Zubehör etc. - sowohl online als auch analog).
Im Jahr 2021 startete ein Tech-Start-up das Projekt "Coin of Champions", ein Online-Fußballmanagerspiel, das von ehemaligen und aktuellen Sportlern unterstützt wird und auf NFT-Spielkarten basiert. Spielkarten in Gestalt von NFTs wurden zwischen dem 7. April 2022 und dem 4. Mai 2022 auf einer NFT-Plattform zum Verkauf angeboten. Auf 68 dieser NFT-Spielkarten sind die streitgegenständlichen Zeichen abgebildet. Sie zeigen ein Bild des ehemaligen Fußballspielers Christian Vieri mit einem Juventus-Trikot und den Vereinsdaten. Juventus hatte eine einstweilige Verfügung gegen die Benutzung der Spielkarte beantragt und sich darauf berufen, der Nutzung nicht zugestimmt zu haben. Mit den NFT-Spielkarten wurde ein Gewinn von über 35.000 Dollar erzielt.
Das Gericht erster Instanz in Rom hat entschieden, dass die Benutzung von NFTs in der Tat zu einer Markenrechtsverletzung führen könne. Die Benutzung der NFT-Spielkarten zu kommerziellen Zwecken ohne Zustimmung von Juventus stelle nach Ansicht des Gerichts nicht nur eine Markenrechtsverletzung dar, sondern sei aufgrund der unzulässigen Benutzung der Marken und der unlauteren Aneignung der mit ihnen verbundenen Werbevorteile sogar als unlauterer Wettbewerb zu bewerten. Juventus sei nämlich durch seine Merchandising-Aktivitäten in derselben Branche tätig gewesen.
Zur Markenrechtsverletzung führt das Gericht weiter aus, dass die bloße Zustimmung des auf den Spielkarten abgebildeten Spielers nicht ausreiche, um die Markenbenutzung zu legalisieren. Die Zustimmung des Spielers könne nur die Nutzung der Bildrechte des Spielers, nicht aber der Markenrechte von Juventus, rechtfertigen. Für die Nutzung der NFTs zu kommerziellen Zwecken wäre daher auch die Zustimmung von Juventus als Markeninhaberin erforderlich gewesen.
Das Gericht ist außerdem der Auffassung, es handele sich bei den Marken von Juventus um äußerst bekannte Marken, da Juventus der erfolgreichste italienische Fußballverein sei, der die meisten Fans in Italien und im Ausland habe. Aufgrund der enormen Bekanntheit und des damit verbundenen stark vergrößerten Schutzumfangs könne es dahinstehen, ob diese in Bezug auf "digitale Dateien" oder sogar "durch NFTs authentifizierte, herunterladbare digitale Dateien" eingetragen worden seien.
Das Gericht weist jedoch auch darauf hin, dass die Marken von Juventus jedenfalls in Klasse 9 der Nizza-Klassifikation für "herunterladbare Veröffentlichungen" Schutz genössen. Daher bestehe ohnehin Warenähnlichkeit. Das Gericht betonte, dass sich der Schutzbereich einer Marke (insbesondere im Hinblick auf die Nizza-Klasse 9) auch auf Waren erstrecke, die nicht in der Nizza-Klassifikation enthalten seien, die aber zu den in der jeweiligen Klasse aufgeführten Waren gehörten. Klasse 9 umfasse somit auch durch NFTs authentifizierte, herunterladbare digitale Dateien. Das Gericht unterschied auch zwischen dem digitalen Inhalt, der eine Marke wiedergibt, und dem digitalen Zertifikat als solchen. Sowohl der digitale Inhalt als auch das digitale Zertifikat begründeten im vorliegenden Fall eine Markenverletzung. NFTs hätten eine eigenständige rechtliche Stellung inne, die unabhängig von dem Inhalt, der dem NFT zugrunde liege, zu beurteilen sei, so das Gericht.
Aus deutscher (und auch europäischer) Sicht besteht weiterhin eine gewisse Rechtsunsicherheit im markenrechtlichen Umgang mit NFTs. So ist beispielsweise nicht abschließend geklärt, in welche Nizza-Klassen NFTs eingeordnet werden können. Während das Urteil des Gerichts in Rom auf eine Einordnung als Waren der Klasse 9 hindeutet, könnte für die entsprechenden Dienstleistungen auch eine Einordnung in Klasse 35 ("Bereitstellung eines Online-Marktplatzes") oder in Klasse 42 ("Benutzerauthentifizierung mittels Blockchain-Technologie") möglich sein.
Die Aktualisierung der Nizza-Klassen, die am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, nimmt den Begriff NFTs explizit in Klasse 9 auf ("durch Non-Fungible-Tokens [NFTs] authentifizierte, herunterladbare digitale Dateien") und sorgt damit zumindest für etwas mehr Rechtssicherheit. Wenn Marken im Zusammenhang mit NFTs benutzt werden sollen, ist es mithin in jedem Fall ratsam, sie auch in Klasse 9 einzutragen – zusätzlich zu anderen Klassen, die ebenfalls von Interesse sein könnten. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Marke in einem ihrer wesentlichen Anwendungsbereiche keinen hinreichenden Schutz genösse. Dies gilt insbesondere für nicht derart bekannte Marken, da der Schutzbereich dieser Marken, im Gegensatz zu dem Schutzbereich bekannter Marken, sehr viel enger gefasst ist. Denn sowohl nach deutschem als auch nach EU-Markenrecht ist es für die Annahme einer Markenrechtsverletzung grundsätzlich erforderlich, dass Ähnlichkeit oder Identität der streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen besteht. Demgegenüber ist der Schutzbereich bekannter Marken nicht von diesem Erfordernis abhängig. Wie weit genau der Schutzbereich bekannter Marken am Ende reicht, ist aber von den Gerichten noch nicht abschließend geklärt - und hängt auch stark vom Einzelfall ab, insbesondere nicht im Zusammenhang mit NFTs und dem Metaverse.
Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass nicht alle Waren, die durch NFTs authentifiziert werden, auch der Nizza-Klasse 9 zuzuordnen sind. Nur Waren, die heruntergeladen werden können, fallen in diese Klasse. NFTs können beispielsweise auch reale Gegenstände verifizieren, die nicht der Klasse 9 zuzuordnen sind.
Wie erwähnt, scheint auch eine Markenanmeldung für Dienstleistungen im Zusammenhang mit NFTs möglich. Zumindest das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) erwähnt in seinem Richtlinienentwurf 2023 (Richtlinien zu Marken (europa.eu), S. 380, 6.25 "herunterladbare und virtuelle Waren") ausdrücklich, dass solche Markenanmeldungen nach den etablierten Klassifizierungsgrundsätzen einzustufen seien. Wie das römische Gericht differenziert jedoch auch das EUIPO in der Bewertung: NFTs authentifizierten Waren, seien aber von diesen zu unterscheiden. Eine Markenanmeldung allein für NFTs sei daher unzulässig. Nach Ansicht des EUIPO müsse die spezifische Art des (digitalen) Gegenstands, der durch das NFT authentifiziert wird, angegeben werden.
Dies erscheint einerseits auch durchaus nachvollziehbar, denn ansonsten könnte z.B. ein großer Teil des Metaversums von einigen wenigen Markenanmeldungen monopolisiert werden. Andererseits bedeutet es aber auch, dass sich Unternehmen vor einer Markenanmeldung fragen sollten, in welchen (digitalen) Bereichen sie mit NFTs tätig werden wollen. Denn schließlich kann das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis nicht mehr abgeändert werden, sobald die Markenanmeldung eingereicht wurde. Es sollte zudem darauf geachtet werden, dass die Marken im virtuellen Raum auch rechtzeitig benutzt werden, da sie sonst nach Ablauf der Benutzungsschonfrist im Rahmen eines Löschungsverfahrens erfolgreich angegriffen werden könnten. Um den größtmöglichen Schutzumfang zu erreichen, genügt es also nicht, lediglich eine möglichst breit aufgestellte Markeneintragung zu erwirken.
Des Weiteren gilt es auch bei der Prüfung etwaiger Markenrechtsverletzungen im virtuellen Raum zu bedenken, dass die Benutzung einer fremden Marke nicht automatisch zu einer Markenrechtsverletzung führen muss. So stellt beispielsweise die Benutzung von Marken zu bloßen Beschreibungs- oder Identifikationszwecken in der Regel keine Markenverletzung dar. Die Rechtsprechung im „analogen Bereich" sollte in ihren Grundsätzen auch auf das virtuelle Pendant übertragbar sein (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15. Juli 2004 - I ZR 37/0, in dem der BGH im Hinblick auf Ersatzteile und Zubehör Dritter entschieden hat, dass bei der eigenen Produktwerbung eine fremde Marke und ein fremdes Produkt abgebildet werden dürften, wenn dies zur Aufklärung des Publikums über die bestimmungsgemäße Verwendung des Ersatzteils oder Zubehörs sachlich geboten sei).
Darüber hinaus stehen NFTs häufig in einem Spannungsverhältnis zwischen Kunstfreiheit und Markenrecht, wobei das Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 GG nicht schrankenlos gilt. Die Freiheit der Kunst wird durch andere Grundrechte und damit auch durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG begrenzt. Letztere umfasst auch das Markenrecht (BGH, Urteil vom 3. Februar 2005 - I ZR 159/02). Neben einer Reihe US-amerikanischer Fälle, die sich speziell mit dem Verhältnis von Kunstfreiheit und Markenrechten in Bezug auf NFTs befassen, nimmt die deutsche Rechtsprechung zumindest zu ähnlichen Fällen Stellung: Entscheidend für die Frage, ob die Kunstfreiheit überwiegt, ist nach BGH, ob ein deutlich erkennbarer innerer Abstand zur bekannten Marke, auf die das Zeichen anspielt, besteht oder ob das rein wirtschaftliche Interesse desjenigen, der auf die Marke hinweist, überwiegt. Hat das Zeichen inhaltlich kaum mit der Marke zu tun, kann die Kunstfreiheit den Eingriff in die Markenrechte nicht rechtfertigen (BGH, Urteil vom 2. April 2015 - I ZR 59/13). Obwohl sich die deutschen Entscheidungen bisher nicht auf NFTs bezogen haben, könnten sie auf diese Fallgruppen übertragen werden; denn die Kunstfreiheit kann auch in diesem Zusammenhang keinen schrankenlosen Schutz gewährleisten. Ein Eingriff in Markenrechte muss daher wohl auch bei künstlerischen NFTs, deren Benutzung durch die Kunstfreiheit grundsätzlich geschützt ist, nicht ohne Einschränkung hingenommen werden. Es gilt jedoch im Einzelfall zu prüfen, inwieweit das beanstandete, durch das NFT authentifizierte, Zeichen Markenrechte verletzt.
NFTs werden im markenrechtlichen Kontext eine immer wichtigere Rolle spielen, sei es bei der Eintragung von Marken, bei der Benutzung von Marken im Kontext von NFTs oder bei der Verletzung von Marken durch NFTs. Während das EUIPO die wachsende Bedeutung von NFTs bereits in seinem Richtlinienentwurf berücksichtigt hat, ist es nur eine Frage der Zeit, bis deutsche Gerichte und weitere in der EU ihre ersten Entscheidungen im Zusammenhang mit NFTs erlassen werden. Die eingangs erwähnte Entscheidung des römischen Gerichts ist zumindest ein erster Schritt in diese Richtung.
Zunächst bleibt demnach zwar abzuwarten, wie deutsche Gerichte NFTs aus markenrechtlicher Sicht einordnen werden. Sicher ist jedoch, dass NFTs bereits jetzt von hoher Relevanz sind und auf dem Radar von Markeninhabern sein sollten. Gerade der Schutz von Marken im Metaversum birgt ein großes Potenzial - letztendlich aber auch Risiken. Insofern müssen Markenstrategie und Markenüberwachung angepasst werden, um den besonderen Herausforderungen von NFT-Handelsplattformen und Metaversen gerecht zu werden. Nur so kann auch weiterhin ein umfassender Markenschutz gewährleistet werden. Beispielsweise sollten bereits bestehende Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarungen sowie Lizenzeinräumungen angepasst werden und klare Bestimmungen, z.B. hinsichtlich der Nutzungsrechte im Metaverse, nachträglich berücksichtigt werden. Für aktuell und zukünftig zu schließende Vereinbarungen gilt dies natürlich erst recht.
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Verfasst von Yvonne Draheim, LL.M./Univ. Stellenbosch, Dr. Hendrik Schulze, LL.M. (Rijksuniversiteit Groningen)