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Arbeitsrecht 2025 – Was kommt, was bleibt, was geht?

Wie in jedem Jahr möchten wir Ihnen an dieser Stelle einen Überblick über die Entwicklungen im Arbeitsrecht für das kommende Jahr geben. Infolge des Endes der Ampel-Koalition und der anstehenden Neuwahlen werden viele der geplanten Reformen nicht mehr oder zumindest nicht in der angedachten Form umgesetzt. Unser Fokus liegt daher auf den Regelungen, die bereits beschlossen wurden und entweder zu Jahresbeginn oder im Laufe des Jahres 2025 in Kraft treten. Darüber hinaus werfen wir einen Blick auf Änderungen infolge europäischer Vorgaben.

Startschuss für elektronische Arbeitsverträge

Eine der wichtigsten Neuerungen für das kommende Jahr ist sicherlich die Möglichkeit, Arbeitsverträge elektronisch abschließen zu können. Genauer gesagt war der elektronische Abschluss von Arbeitsverträgen auch vorher möglich. Allerdings war das wenig attraktiv, weil ein schriftlicher Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen nachfolgen musste. Das 4. Bürokratieentlastungsgesetz erlaubt ab dem 1. Januar 2025 für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen nach dem Nachweisgesetz neben der strengen Schriftform auch die Textform (§ 126b BGB). Damit sind Vertragsabschlüsse mittels E-Mail, elektronischer Plattformen und entsprechender Software, aber auch mit WhatsApp oder anderen Messenger-Diensten möglich. Wir bieten für die elektronische Erstellung von Arbeitsverträgen und sonstigen Vertragsdokumenten unseren HR Contract Creator an, mit dem mit wenigen Klicks solche Dokumente automatisiert erstellt und mittels Schnittstelle zu DocuSign oder AdobeSign elektronisch unterschrieben werden können.

Doch profitieren nicht alle von dieser Erleichterung: Ausgenommen sind die Branchen, die unter das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz fallen (Bau-, Gaststätten-, Beherbergungs-, Speditions-, Transportbranche, Fleischwirtschaft und Gebäudereinigung). Strengere Formvorschriften können sich auch aus anderen Rechtsvorschriften ergeben. Das betrifft insbesondere die Befristung von Arbeitsverhältnissen (§ 14 Abs. 4 TzBfG) und nachvertragliche Wettbewerbsverbote (§ 74 Abs. 1 HGB). Häufig finden sich doppelte Schriftformklauseln in den Arbeitsverträgen, die im Zuge eines Umstiegs auf elektronische Arbeitsverträge angepasst werden sollten.

Arbeitnehmende sollen aber weiter die Möglichkeit haben, eine Niederschrift der wesentlichen Arbeitsbedingungen zu verlangen. Wenig verständlich ist, dass dieser Anspruch auch noch bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchsetzbar sein soll. Das eröffnet Missbrauchsmöglichkeiten, beispielsweise in Trennungskonstellationen.

Sonstige Maßnahmen zur Entbürokratisierung

Eine kleine Erleichterung gab es für Befristungen auf die Regelaltersgrenze, die in ganz vielen Arbeitsverträgen enthalten sind. Diese sind nunmehr auch mittels Textform möglich (§ 41 Abs. 2 SGB VI). Dies betrifft aber nur die Regelaltersrente und keine vorgezogenen und ggf. gekürzten Renten und auch keine sonstigen Befristungen.

Die Erteilung von Arbeitszeugnissen ist zukünftig ebenfalls in elektronischer Form möglich (§ 109 Abs. 3 GewO). Achtung: Hier genügt nicht die einfache Textform, sondern es bedarf einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 126a BGB).

Darüber hinaus können auch Anträge auf Elternzeit, Teilzeit in Elternzeit sowie deren Ablehnung künftig in Textform (§ 126b BGB) erfolgen (§§ 15 Abs. 4, 5, 7, 16 Abs. 1 BEEG). Gleiches gilt für Arbeitsnehmerüberlassungsverträge zwischen Ver- und Entleiher (§ 12 Abs. 1 S. 1 AÜG).

Auch bei den aushangpflichtigen Gesetzen gibt es Erleichterungen. Für das Arbeitszeit- und das Jugendarbeitsschutzgesetz ist nunmehr ausreichend, wenn sie in elektronischer Form im Betrieb bekannt gemacht werden (z.B. durch eine Bereitstellung im Intranet; vgl. §§ 16 Abs. 1 ArbZG, 47 f. JArbSchG).

Erhöhung des Mindestlohns und der Verdienstgrenzen bei Mini- und Midi-Jobs

Der gesetzliche Mindestlohn wird zum 1. Januar 2025 auf 12,82 Euro brutto je Zeitstunde angehoben.

Mit der Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Januar 2025 steigt auch die Verdienstgrenze für Minijobs von derzeit 538 Euro auf 556 Euro pro Monat; die Jahresverdienstgrenze erhöht sich entsprechend auf 6.672 Euro. Der Übergangsbereich zum Midijob beginnt damit ab 1. Januar 2025 bei 556,01 Euro. Die obere Verdienstgrenze für Midijobs bleibt unverändert bei 2.000 Euro.

Vereinfachung bei der Abrechnung von Abfindungen

Aufgrund des Wachstumschancengesetzes gilt ab dem 1. Januar 2025 eine wesentliche Änderung bei der Anwendung der Fünftelregelung. Die Verpflichtung, diese Regelung bereits beim Lohnsteuerabzug anzuwenden, entfällt. Stattdessen findet die Fünftelregelung künftig ausschließlich im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers Anwendung.

Für Unternehmen bedeutet dies, dass ausscheidende Mitarbeitende zunächst eine höhere Steuerlast auf ihre Abfindungen tragen, während die steuerliche Entlastung erst später über die Einkommensteuererklärung erfolgt. Da dies unter Umständen die Akzeptanz von Abfindungsangeboten beeinflussen könnte, sollte diese Neuerung bei Verhandlungen entsprechend berücksichtigt werden.

Die in Aufhebungsverträgen verwendeten Klauseln sollten überprüft werden. Teilweise werden steuerrechtliche Vorschriften in Bezug genommen, die dahin ausgelegt werden könnten, dass der Arbeitgebende zusagt und damit auch dafür haftet, dass die entsprechenden steuerrechtlichen Privilegierungen zur Anwendung kommen.

Einheitliche Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung

Die positive Einkommensentwicklung im vergangenen Jahr sorgt dafür, dass die Beitragsbemessungsgrenzen zum 1. Januar 2025 deutlicher als in der Vergangenheit steigen werden – auch wenn dies wenig zur aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung passt. Neu ist, dass die Werte für die Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht länger nach den Rechtskreisen West und Ost unterschieden werden. Einzelne Werte waren bereits in der Vergangenheit vereinheitlich worden. Ab 2025 gelten nun erstmals in allen Bereichen bundeseinheitliche Werte.

Unseren Beitrag mit einem Überblick über die neuen Grenzwerte lesen Sie hier.

(Keine) „Wachstumsinitiative“ für die Arbeitswelt

Bereits im Sommer 2024 hatte sich die Bundesregierung unter dem Titel „Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland“ auf ein Paket mit insgesamt 49 Maßnahmen verständigt, das der deutschen Wirtschaft umgehend mehr Dynamik verleihen soll. Schwerpunkte waren vor allem der Abbau von Bürokratie, die Förderung von Innovationen, die Schaffung von Arbeitsanreizen und die Gewinnung von Fachkräften. Wir hatten diese seinerzeit hier zusammengefasst. Von diesen ambitionierten Maßnahmen wird nun aber wohl kaum eine ihre Umsetzung finden.

Dies betrifft u.a. auch das in diesem Maßnahmenpaket enthaltene Tariftreuegesetz, nach dem zukünftig nur noch Unternehmen Aufträge und Konzessionen vom Bund erhalten, die verbindlich die Bedingungen des jeweils gültigen Branchentarifvertrags gewähren. Dies soll auch für Nachunternehmer und Verleihunternehmen gelten, die vom Auftragnehmer zur Auftragsausführung eingeschaltet werden. Die Tariftreue bezieht sich dabei nicht nur auf den gültigen Tariflohn, sondern auch auf bezahlten Mindestjahresurlaub, Höchstarbeitszeiten, Ruhe- und Pausenzeiten.

Im Rahmen einer Erprobung sollte zudem auch bei den zwischen dem 1. März und 31. Mai 2026 stattfindenden regelmäßigen Betriebsratswahlen in Betrieben, in denen bereits ein Betriebsrat besteht, ergänzend zu den bestehenden Formen der Stimmabgabe die Möglichkeit geschaffen werden, die Stimme elektronisch abgeben zu können.

Auch beim Betriebsrentenstärkungsgesetz II ist die Umsetzung mehr als fraglich. Mit dem Gesetz sollten die Bindung der Beitragszusage ohne Garantien an Tarifverträge gelockert und die Beträge zur steuerlichen Förderung der betrieblichen Altersversorgung von Geringverdienenden erhöht werden. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Flexibilisierung der Kapitalanlage in der betrieblichen Altersversorgung. Eine Einordnung des Vorhabens unseres Kollegen Dr. Thomas Frank finden Sie hier.

Kein Beschäftigtendaten(schutz)gesetz

Auch der erst Anfang Oktober veröffentlichte Referentenentwurf für ein Beschäftigtendaten(schutz)gesetz wird nicht mehr umgesetzt werden. Mit diesem sollten typische Fallkonstellationen im Beschäftigtenverhältnis abgedeckt werden, u.a. der Einsatz von KI im Bewerbungsprozess, die Überwachung von Mitarbeitenden oder auch das Fragerecht des Arbeitgebenden. Mit dem Bruch der Ampel-Koalition ist damit auch der zweite Versuch eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes seit 2010 gescheitert.

Absenkung der Einkommensgrenze für Elterngeld

Die Grenze des zu versteuernden Einkommens (Einkommensgrenze), ab der der Anspruch auf Elterngeld entfällt, wird für Geburten ab dem 1. April 2024 für Paare und Alleinerziehende auf 200.000 Euro festgelegt. Für Geburten ab dem 1. April 2025 wird die Einkommensgrenze für Paare und Alleinerziehende auf 175.000 Euro abgesenkt.

Neu geregelt wird auch die Möglichkeit für Eltern, das Basiselterngeld parallel zu beziehen: Ein gleichzeitiger Bezug von Basiselterngeld ist für maximal einen Monat und nur innerhalb der ersten zwölf Lebensmonate des Kindes möglich.

Neuer Anlauf für ein Entgelttransparenzgesetz 2.0?

Zudem zeichnen sich einige EU-Initiativen ab, die uns arbeitsrechtlich in den kommenden Jahren beschäftigen werden; darunter die Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Entgelttransparenz (RL (EU) 2023/970), die darauf abzielt, geschlechtsspezifische Lohnunterschiede zu reduzieren und Lohngleichheit zu fördern. Die Richtlinie ist seit dem 17. Mai 2023 in Kraft. Die Umsetzung in nationales Recht muss bis zum 7. Juni 2026 erfolgen. Der (zukünftige) deutsche Gesetzgeber wird sich dabei voraussichtlich eng am Wortlaut der Richtlinie orientieren. Wegen des notwendigen Vorlaufs, nicht zuletzt infolge der Abstimmung mit den Betriebsräten, sollte frühzeitig mit den Vorbereitungen begonnen werden.

Folgende Kerninhalte sind zu erwarten:

  • Entgelttransparenz im Recruiting: Bewerbende sollen künftig Informationen über das Einstiegsgehalt oder dessen Spanne erhalten. Eine Pflicht zur Gehaltsangabe in der Stellenausanzeige ergibt sich hieraus jedoch nicht. Arbeitgebende haben die Wahl, wie sie diese Pflicht erfüllen, z.B. in der Stellenanzeige oder vor dem Vorstellungsgespräch (Art. 5 Abs. 1 EntgTranspRL). Sie sollen hierdurch in die Lage versetzen werden, eine fundierte und transparente Gehaltsverhandlung zu führen. Zudem dürfen Bewerbende nicht mehr nach ihrer Vergütungsentwicklung in laufenden oder früheren Beschäftigungsverhältnissen befragt werden (Art. 5 Abs. 2 EntgTranspRL).
  • Allgemeiner und individueller Auskunftsanspruch: Arbeitgebende müssen zukünftig ihren Arbeitnehmenden unaufgefordert Informationen zu Kriterien der Entgeltfestlegung, -höhe und -entwicklung bereitstellen (Art. 6 EntgTranspRL). Darüber hinaus müssen Arbeitgebende auf Verlangen Auskunft über die individuelle Entgelthöhe und – aufgeschlüsselt nach Geschlecht – über die durchschnittliche Entgelthöhen für die Beschäftigtengruppen erteilen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten (Art. 7 EntgTranspRL). Der Auskunftsanspruch bezieht sich damit nicht länger auf den statistischen Median als „Vergleichsentgelt“ und ist zukünftig unabhängig von einer Mindestbeschäftigtenzahl. Die Auskunft muss innerhalb von zwei Monaten schriftlich erteilt und kann auch über Arbeitnehmervertreter, etwa Betriebsräte, eingefordert werden. Arbeitgebende müssen zudem – ähnlich wie beim Urlaubsanspruch – jährlich über dieses Auskunftsrecht informieren (Art. 7 Abs. 3 EntgTranspRL).
  • Ausweitung und Verschärfung der Berichtspflichten: Die Schwelle für den Anwendungsbereich der Berichtspflichten sinkt von mehr als 500 auf 100 Arbeitnehmende. Die Pflicht zur erstmaligen Vorlage eines Berichts und der anschließende Vorlagerhythmus werden künftig nach der Beschäftigtenanzahl gestaffelt bestimmt, beginnend für Unternehmen mit mindestens 150 Arbeitnehmenden ab dem 7. Juni 2027 in Bezug auf das vorangehende Kalenderjahr (2026). Eventuell erforderliche Anpassungen am Entgeltsystem sollten daher bis Ende 2025 umgesetzt sein.

Die Berichtspflichten werden inhaltlich um sieben spezifisch entgeltbezogene Indikatoren erweitert (Art. 9 Abs. 1 EntgTranspRL):

    • das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle,
    • das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle bei ergänzenden oder variablen Bestandteilen,
    • das mittlere geschlechtsspezifische Entgeltgefälle,
    • das mittlere geschlechtsspezifische Entgeltgefälle bei ergänzenden oder variablen Bestandteilen,
    • den Anteil der Arbeitnehmenden, die ergänzende oder variable Bestandteile erhalten,
    • den Anteil der Arbeitnehmenden in jedem Entgeltquartil,
    • das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle zwischen Arbeitnehmenden bei Gruppen von Arbeitnehmenden, nach dem normalen Grundlohn oder -gehalt sowie nach ergänzenden oder variablen Bestandteilen aufgeschlüsselt.

Die o.g. Informationen müssen einer noch zu benennenden Überwachungsstelle mitgeteilt werden. Zudem muss das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle zwischen Arbeitnehmenden bei Beschäftigtengruppen nach dem normalen Grundgehalt sowie nach ergänzenden oder variablen Bestandteilen aufgeschlüsselt allen Arbeitnehmenden, deren Vertretungen sowie – auf ihr Ersuchen – der Arbeitsaufsichtsbehörde und der Gleichbehandlungsstelle zur Verfügung gestellt werden.

  • Gemeinsame Entgeltbewertung: Voraussetzung für die gemeinsame Entgeltbewertung, welche i.d.R. mit dem Betriebsrat durchzuführen sein wird, ist, dass in den o.g. Berichten ein Lohngefälle zwischen den Geschlechtern von über 5% festgestellt wurde, der Arbeitgebende dieses Gefälle nicht durch objektive Kriterien rechtfertigen kann und es nicht innerhalb von sechs Monaten korrigiert (Art. 10 EntgTranspRL). Besteht im Unternehmen kein Betriebsrat, geht die Richtlinie offenbar davon aus, dass für Zwecke der gemeinsamen Entgeltbewertung von den Arbeitnehmenden ein wie auch immer geartetes Gremium gebildet werden soll. Es bleibt abzuwarten, wie dies in deutsches Recht umgesetzt wird.

Bei Verstößen können Betroffene Schadensersatz oder Entschädigung verlangen. Die Beweislast liegt beim Arbeitgebenden, der belegen muss, dass keine Diskriminierung vorliegt. Zudem können behördliche Strafen und Bußgeldern verhängt werden.

Neu ist auch ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften und Antidiskriminierungsstellen, mit dem diese zukünftig Betroffene bei Verfahren zum Grundsatz des gleichen Entgelts unterstützen oder in deren Namen klagen können.

Die Pflicht zur Einhaltung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit besteht bereits jetzt nach dem aktuellen Entgelttransparenzgesetz! Da die Umsetzung der neuen Vorgaben eines gewissen zeitlichen Vorlaufs bedarf und erhebliche Ressourcen beanspruchen wird, ist es ratsam, sich frühzeitig mit den neuen Transparenzanforderungen vertraut zu machen – auch wenn ein Entwurf für die Umsetzung der Richtlinie immer noch aussteht.

KI-Verordnung und Arbeitsrecht

Mit der am 1. August 2024 in Kraft getretenen KI-Verordnung (VO (EU) 2024/1689) der Europäischen Union wurde weltweit erstmalig ein Regelwerk für künstliche Intelligenz geschaffen. Einer Umsetzung in nationales Recht bedarf es (anders als bei EU-Richtlinien) nicht.

Die Verordnung wählt einen risikobasierten Ansatz. Je nach „Risikoklasse“ sind strenge oder weniger strenge Anforderungen an die Regulierung eines KI-Systems zu stellen. Unterschieden wird dabei zwischen

  • verbotenen KI-Systemen (Art. 5 KI-VO),
  • Hochrisiko-KI-Systemen (Art. 6 I KI-VO),
  • solchen mit begrenztem Risiko, welche nach Art. 50 KI-VO hauptsächlich Transparenzpflichten vorsehen,
  • und KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck (bspw. Chat-GPT).

Die meisten der derzeit bereits verwendeten KI-Systeme im HR-Bereich (beispielweise im Rahmen der Verhaltens- und Leistungsbewertung) werden als Hochrisikosysteme einzustufen sein. Die Verwendung von sog. Hochrisiko-KI-Systemen bringt umfassende Pflichten für die Betreiber mit sich. Dazu gehören beispielsweise die Pflicht zur menschlichen Aufsicht oder Informationspflichten. Als Betreiber gilt, wer in seinem Unternehmen fremdentwickelte KI-Systeme im Gebiet der europäischen Union verwendet. Von diesem Begriff ist regelmäßig auch der anwendende Arbeitgebende erfasst. Unter bestimmten Umständen kann aus dem Arbeitgebenden als Betreiber eines KI-Systems auch ein Anbieter werden – mit weitreichenden Konsequenzen mit Blick auf den einzuhaltenden Pflichtenkatalog. Dies kann bereits der Fall sein, wenn ein fremdentwickeltes Hochrisiko-KI-System unter eigenem Namen oder Logo oder mit wesentlichen Änderungen zum Eigengebrauch in Betrieb genommen wird.

Die Regelungen werden sukzessive bis zum 2. August 2027 ausgerollt. Die o.g. Betreiberpflichten gelten bereits ab dem 2. August 2026 (vgl. Art. 113 KI-VO). Bereits ab dem 2. Februar 2025 gelten zudem die Vorschriften zur Vermittlung von KI-Kompetenz (Art. 4 KI-VO). Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass alle Personen, die in irgendeiner Weise mit KI-Systemen arbeiten oder deren Betrieb unterstützen, entsprechend geschult werden. Darüber hinaus sollten interne Richtlinien und Standards zur Nutzung, Überwachung und Wartung von KI geschaffen werden. Neben fortlaufenden Schulungsangeboten kann auch die Ernennung eines KI-Beauftragten eine sinnvolle begleitende Maßnahme sein.

Die Verordnung sollte nicht nur beim Einsatz zukünftiger KI-Systeme beachtet werden, sondern auch zum Anlass genommen werden, den Umgang mit bestehenden KI-Systemen kritisch neu zu bewerten. Vergessen sollten hierbei auch nicht die Beteiligungsrechte des Betriebsrats! Angesichts der kurzen Übergangsfristen sollten zeitnah Maßnahmen zur Identifizierung von Handlungspflichten und Strategien zur Einhaltung ergriffen werden. Für weitere Einzelheiten zu diesem komplexen Thema verweisen wir auf die Einzelbeiträge zur KI-VO auf unserem HR Digital Hub und legen Ihnen ganz besonders unseren KI Compliance Check für HR-Systeme nahe.

Neue Regeln für Plattformarbeit

Mit der am 1. Dezember 2024 in Kraft getretenen Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit (RL (EU) 2024/2831) werden Vorgaben für die Bestimmung des Beschäftigtenstatus von Plattformarbeitenden und die Verwendung algorithmischer Systeme am Arbeitsplatz gemacht. Die Umsetzung in nationales Recht muss bis zum 2. Dezember 2026 erfolgen.

Die Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, auf nationaler Ebene eine widerlegbare Vermutung eines Arbeitsverhältnisses einzuführen. Dabei wird grundsätzlich angenommen, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt, wenn beispielsweise Kontrolle und Weisungsbefugnis bestehen. Die genauen Kriterien sollen von den Mitgliedstaaten, also den nationalen Gesetzgebern, festgelegt werden. Die Beweislast dafür liegt bei der Plattform, die nachweisen muss, dass letztlich kein Arbeitsverhältnis besteht.

Da Personen, die für digitale Plattformen tätig sind, ihre Aufträge oft ausschließlich digital über eine App erhalten, müssen Plattformen zukünftig offenlegen, welche Algorithmen bei der Auftragsvergabe eingesetzt werden. Zudem sollen die neuen Regelungen sicherstellen, dass Plattformarbeitende nicht aufgrund einer Entscheidung eines Algorithmus oder eines automatisierten Systems entlassen werden können. Wesentliche Entscheidungen, die die Plattformarbeitenden direkt betreffen, müssen der menschlichen Kontrolle unterliegen. Umfassend äußert sich dazu auch unser Kollege Dr. Justus Frank in der NZA 2024, 865 (Abonnement erforderlich).

Mehr Pflichten für Unternehmen entlang der Lieferketten?

Das sog. EU-Lieferkettengesetz, offiziell auch Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD – RL (EU) 2024/1760), verpflichtet Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang ihrer gesamten Lieferketten, inkl. ihrer direkten und indirekten Lieferanten. Das betrifft die Achtung von grundsätzlichen Arbeitnehmerrechten. Darunter befinden sich die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wie z.B. Vereinigungsfreiheit, Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, Entgeltgleichheit, Verbot von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.

Die Richtlinie sieht Sanktionen wie Geldbußen (Höchstrahmen von 5% des Nettojahresumsatzes) und eine zivilrechtliche Haftung für Unternehmen vor. Bei transnationalen Sachverhalten kommt dabei zukünftig das Recht der EU-Mitgliedsstaaten statt wie bislang das Recht des Schadensortes im Ausland zur Anwendung. Ansprüche können innerhalb einer Frist von fünf Jahren geltend gemacht werden, auch von Gewerkschaften und NGOs.

Die Richtlinie ist am 25. Juli 2024 in Kraft getreten und muss innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Die nationalen Umsetzungsgesetze sollen dann gestaffelt nach Unternehmensgröße in Kraft treten:

  • ab 2027 für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz;
  • ab 2028 verringern sich die Schwellenwerte auf 3.000 Mitarbeiter und mehr als 900 Millionen Euro Umsatz;
  • ab 2029 werden dann im letzten Schritt Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Millionen Euro Umsatz einbezogen.

In Deutschland soll(te) die Umsetzung über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) erfolgen – dessen Aufhebung aber bereits jetzt vor der Bundestagswahl von CDU/CSU und FDP gefordert wird.

Fazit

Das Aus der Ampel-Koalition hat viele, teilweise bereits angestoßene arbeitsrechtliche Gesetzesvorhaben zum Erliegen gebracht. Glücklicherweise wurde vorher noch das 4. Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet, was vor allem für das Nachweisgesetz ab dem Jahreswechsel die Textform eröffnet. Derzeit bleibt nur der Blick nach vorne. Erst der zu erwartende Koalitionsvertrag wird etwas mehr Licht darauf werfen, was wir im nächsten Jahr und in der nächsten Legislaturperiode erwarten können. Wir halten Sie in jedem Fall auf dem Laufenden.

Verfasst von Lars Mohnke und Regina Ragnit-Krack.

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