
Unser interaktiver AI Hub informiert über Trends und Entwicklungen
Am 9. April 2025 haben CDU/CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Dieser legt die Ziele der kommenden Regierung fest und bildet damit den Rahmen der Zusammenarbeit der beiden Fraktionen für die nächsten Jahre.
Mit welchen arbeitsrechtlichen Änderungen in der Folge zu rechnen ist, soll dieser Beitrag aufzeigen. Bereits am 16. April 2025 fassen wir für Sie die wesentlichen, rechtsübergreifenden Aspekte des Koalitionsvertrags in einem Webinar kompakt zusammen. Ein weiterer Termin findet am 6. Mai 2025 statt. Hier können Sie sich dafür anmelden.
Seit dem 1. Januar 2025 beträgt der Mindestlohn in Deutschland 12,82 EUR brutto pro Stunde. Für seine Festlegung wird sich an der Tarifentwicklung und – aufgrund der EU-Mindestlohnrichtlinie – auch an 60% des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientiert. CDU/CSU und SPD sehen es vor diesem Hintergrund als realistisch an, dass der Mindestlohn im Jahr 2026 auf 15 EUR pro Stunde angehoben werden könne. An der unabhängigen Mindestlohnkommission halten die Fraktionen fest.
Darüber hinaus sollen Überstundenzuschläge für Mehrarbeit steuerfrei werden, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu entlasten. Mehrarbeit ist die Arbeit, die über die Vollzeitarbeit hinausgeht. Bei Arbeitszeit, die nicht tariflich festgelegt ist, soll dabei eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden als Vollzeit gelten. Tariflich soll auch eine andere Wochenarbeitszeit als Vollzeit definiert werden können, allerdings müsse diese über 34 Stunden liegen. Teilzeitbeschäftige würden hingegen kaum bzw. nicht von der Änderung profitieren, da die Zuschläge nur für Überstunden, die über der Vollzeit gemacht werden, steuerfrei werden sollen.
Mit dem Ziel der Flexibilisierung der Arbeitszeit soll anstelle der bisher geltenden täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit eingeführt werden. Bislang liegt die Grenze der täglichen Arbeitszeit bei acht Stunden und kann bei Bedarf auf zehn Stunden verlängert werden, sofern die durchschnittliche Arbeitszeit innerhalb von sechs Monaten acht Stunden werktäglich nicht überschreitet. Nun soll dieses System auf eine wöchentliche maximale Arbeitszeit umgestellt werden. Die konkrete Grenze wurde noch nicht festgelegt, sondern soll sich aus einer Abstimmung mit den Sozialpartnern ergeben. So soll die Arbeitszeit flexibler auf die einzelnen Wochentage verteilbar sein und nicht zuletzt auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden. Geltende Ruhezeitenregelungen sollen dabei aber beibehalten werden, sodass zwischen den einzelnen Arbeitszeiten gem. § 5 Abs. 1 ArbZG auch weiterhin eine Ruhezeit von 11 Stunden einzuhalten sein wird.
Außerdem soll die Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung unbürokratisch geregelt werden, wobei für kleinere und mittlere Unternehmen Übergangsregelungen vorgesehen sein sollen. Wie genau eine derartige unbürokratische Regelung aussehen könnte, lässt der Koalitionsvertrag offen.
Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung soll jedenfalls auch weiterhin möglich bleiben.
CDU/CSU und SPD haben sich zum Ziel gesetzt, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Teilzeit attraktive Anreize zu schaffen, um ihre Arbeitszeit freiwillig zu erhöhen. Im Rahmen dieser Bestrebungen sollen Prämien, die von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gezahlt werden, im Falle einer Erweiterung der Arbeitszeit steuerlich begünstigt werden.
Weiterhin plant die neue Koalition, das Weiterarbeiten nach Erreichen des Rentenalters und zugleich auch das Weiterbeschäftigen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rentenalter attraktiver zu machen (sog. Aktivrente).
Wer künftig nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters weiterarbeitet, soll sein Gehalt bis zu 2.000 EUR im Monat steuerfrei erhalten.
Zudem soll das zurzeit geltende Vorbeschäftigungsverbot aus § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG aufgehoben werden, wenn Beschäftigte nach Erreichen des Rentenalters bei ihrem bisherigen Arbeitgeber weiterarbeiten möchten. Das Vorbeschäftigungsverbot untersagt die befristete Anstellung ohne sachlichen Grund, wenn schon zuvor ein Arbeitsverhältnis mit der einzustellenden Person bestanden hat. Damit konnten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bislang ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das Rentenalter erreicht hatten, nur eine unbefristete Weiteranstellung anbieten, sofern kein gesetzlicher Grund für eine Befristung vorlag. Nun soll das geändert werden, damit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ermöglicht werden kann, in diesen Fällen leichter befristete Arbeitsverträge abzuschließen.
Die Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen stellt auch heute noch ein politisches und gesellschaftliches Problem in Deutschland dar. In dieser Legislaturperiode steht die Bundesregierung vor der Aufgabe, die EU-Entgelttransparenzrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. In der Folge ist damit zu rechnen, dass das bestehende Entgelttransparenzgesetz einer Anpassung unterzogen wird, um den neuen europäischen Vorgaben gerecht zu werden.
Laut dem Koalitionsvertrag soll diese Anpassung möglichst effizient und bürokratiearm erfolgen. Dennoch dürfte die Umsetzung für viele Unternehmen mit strengeren Berichtspflichten verbunden sein, was zusätzliche Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entgeltstrukturen stellt. Ein erster Entwurf des Gesetzes soll Ende 2025 vorgelegt werden.
Die fortlaufende Digitalisierung der Arbeitswelt soll sich künftig auch stärker in der Betriebsratsarbeit niederschlagen. Die Koalition möchte deshalb Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen als gleichwertige Alternative zu Präsenzformaten ermöglichen. Auch soll die Betriebsratswahl zukünftig ebenfalls online durchgeführt werden können. Das Betriebsverfassungsgesetz soll dementsprechend angepasst werden.
Das Zugangsrecht der Gewerkschaften in die Betriebe soll explizit um einen digitalen Zugang ergänzt werden, der ihren analogen Rechten entspricht.
Die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten sollen außerdem auch gestärkt werden, indem die Mitbestimmung „weiterentwickelt“ wird. Was genau dies bedeuten soll, lassen die Koalitionspartner offen.
Die Koalition hat sich außerdem einer höheren Tarifbindung verschrieben. Hier möchte die künftige Regierung unter anderem ein Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen. Ein solches könnte inhaltlich wohl auf den schon zur Zeit der Ampelregierung veröffentlichten Entwurf für ein Tariftreuegesetz angelegt sein. Demnach ist zu erwarten, dass auch nicht tarifgebundene Unternehmen zukünftig ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern tarifvertragliche Arbeitsbedingungen gewähren müssen, wenn sie öffentliche Aufträge und Konzessionen des Bundes ausführen, die ein Vergabevolumen von über 50.000 EUR haben. Für Start-Ups mit innovativen Leistungen beträgt die Schwelle in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung 100.000 EUR.
CDU/CSU und SPD wollen die Einwanderung qualifizierter ausländischer Fachkräfte fördern. Als Hürden wurden hier unter anderem eine mangelnde Digitalisierung der Prozesse sowie eine zu langsame Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen identifiziert. Um dem zu begegnen, plant die Koalition zur Koordinierung der Fachkräfteeinwanderung eine digitale Agentur einzurichten, eine sogenannte „Work-and-stay-Agentur“. Hier sollen die Prozesse zur Einwanderung zentralisiert und insgesamt beschleunigt werden. Die potentiellen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollen daran stärker beteiligt werden. Verfahren zur Anerkennung von Berufsqualifikationen sollen dadurch nur noch acht Wochen in Anspruch nehmen. Für Absolventen aus Drittstaaten, die in Deutschland eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben, soll es so attraktiver gemacht werden, in Deutschland zu bleiben und zu arbeiten.
Das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz sollen zusammengeführt werden. Dabei sollen die Freistellungsansprüche flexibilisiert und der Kreis der Angehörigen erweitert werden. Zudem soll geprüft werden, ob und wie perspektivisch ein Familienpflegegeld eingeführt werden kann. Sofern dieses Vorhaben umgesetzt wird, ist mit einer steigenden Inanspruchnahme von (Familien-)Pflegezeit zu rechnen.
Der „große Wurf“ im Arbeitsrecht bleibt aus. Auch wenn einige wesentliche Zukunftsthemen von den Koalitionspartnern aufgegriffen wurden, so bleibt deren genaue Umsetzung jedoch vage oder soll erst noch im Dialog mit den Sozialpartnern geklärt werden (siehe Arbeitszeitflexibilisierung). Unternehmen bleibt daher nicht viel anderes übrig, als die weiteren Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen, sich frühzeitig auf das Kommende vorzubereiten und weiterhin flexibel auf Veränderungen zu reagieren.
Verfasst von Dr. Eckard Schwarz, Regina Ragnit-Krack und Lea Steffen.