Unser interaktiver AI Hub informiert über die neuesten Trends und Entwicklungen.
Die aufgrund der COVID-19 Pandemie im April 2020 eingeführte Regelung des Art. 240 § 2 EGBGB begründet weder eine gesetzliche Stundung des Miet- bzw. Pachtzinses noch ein Leistungsverweigerungsrecht. Der Vermieter bzw. Verpächter kann den Mieter bzw. Pächter weiterhin auf Zahlung verklagen. Ebenso kann der Mieter bzw. Pächter weiterhin mit seiner Miet-/Pachtzahlung in Verzug geraten; Verzögerungsschäden oder Verzugszinsen sind ebenso nicht ausgeschlossen.
Das OLG Schleswig entschied mit Urteil vom 16.06.2021- 12 U 148/20 über die Berufung eines Hotelpächters, der erstinstanzlich zur vollständigen (restlichen) Pachtzahlung für den Zeitraum April bis Juni 2020 verurteilt worden war. Der Beklagte hatte seine Pachtzahlungen für diesen Zeitraum teilweise ausgesetzt und berief sich diesbezüglich auf einen durch COVID-19 bedingten Liquiditätsengpass. Der Beklagte stütze seine Argumentation, nicht zahlen zu müssen, auf Art. 240 § 2 EGBGB, welcher nach dem Sinn und Zweck der Regelung ein über den bloßen Kündigungsschutz hinausgehendes Recht zur Stundung der Miete bzw. Pacht begründe. Nach seiner Auffassung sei es widersprüchlich, wenn zwar keine Kündigung, wohl aber ein Prozess über die Miet-/Pachtzahlung mit verbundenen Kosten und eine anschließende Zwangsvollstreckung drohe, die mittelbar auch die Existenz des Mieters bzw. Pächters bedrohe.
Im Laufe des Jahres 2020 hat der Gesetzgeber zur Abmilderung der COVID-19 Folgen einige neue Regelungen zum Vertragsrecht durch Einführung des Art. 240 EBGB vorgenommen, die den Betroffenen insbesondere im Hinblick auf Miet- und Pachtverhältnisse eine gewisse Rechtssicherheit gewähren sollten.
In der Rechtsprechung herrscht seit Verkündung der ersten Urteile im Zusammenhang mit der vertraglichen Miet- bzw. Pachtzahlungspflicht von durch COVID-19 betroffenen Gewerbemietern und -pächtern weitgehend Einigkeit darüber, dass zur Eindämmung der Pandemie getroffene staatliche Maßnahmen in Form von Schließungsanordnungen oder anderweitigen Einschränkungen des Betriebes, grundsätzlich keine Mangelhaftigkeit des Miet- bzw. Pachtobjektes gegeben sei. Auch liege regelmäßig kein Fall der Unmöglichkeit vor, der den Mieter bzw. Pächter gemäß §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB von seiner Miet- bzw. Pachtzahlungsverpflichtung befreie.
Nicht ganz einheitlich ist die Rechtsprechung dagegen in Bezug auf die Anwendung des § 313 BGB zu beurteilen.
In der Vergangenheit hatten einzelne Gerichte trotz des Vorliegens einer Situation der Störung der Geschäftsgrundlage die vollständige Miet-/Pachtzahlungspflicht des Mieters bzw. Pächters bejaht (so etwa das OLG Karlsruhe Urt. v. 24.02.2021 – 7 U 109/20), während andere Gerichte grundsätzlich von einer hälftigen Kürzung der geschuldeten Miete bzw. Pacht ausgingen (so etwa das LG München vom 05.10.2020 – 34 O 6013/20). In unseren Blog-Beiträgen zuletzt vom 05.03.2021 und 01.02.2021 hatten wir über die Entwicklung und den Stand der Rechtsprechung bereits ausführlich berichtet.
Nunmehr musste sich das OLG Schleswig vorwiegend mit den Rechtsfolgen des Art. 240 § 2 EGBGB auseinandersetzen. Das nunmehr vorliegende Urteil führt hier zu mehr Klarheit in Bezug auf die Rechte von Mietern bzw. Pächtern und Vermietern bzw. Verpächtern im Hinblick auf weitere Fragen zur Zahlung der Miete bzw. Pacht.
Im Ergebnis hat das OLG Schleswig die Berufung des Beklagten gegen die erstinstanzliche Verurteilung auf vollständige Zahlung des Pachtzinses als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte schuldet für den betreffenden Zeitraum den vollen Pachtzins.
Das LG habe zutreffend angenommen, dass Art. 240 § 2 EGBGB keine Stundung des Pachtzinses bewirke und lediglich Verbraucher und Kleinstunternehmer im Rahmen des Anwendungsbereiches des Art. 240 § 1 EGBGB – der nach Abs. 4 für Miet- und Pachtverhältnisse gerade nicht eröffnet ist – zur Leistungsverweigerung berechtigt seien. Die Pacht für den betreffenden Zeitraum sei weiterhin einklagbar. Dies ergebe sich im Wesentlichen aus der eindeutigen Gesetzesbegründung. Bei § 2 handele es sich um eine den Besonderheiten des Miet- bzw. Pachtverhältnisses Rechnung tragende Sonderregelung, die dem Interesse am Fortbestand des Miet- bzw. Pachtverhältnisses den Vorzug gebe und in die Rechte des Vermieters bzw. Verpächters durch die bloße Beschränkung seines sekundären Rechtes zur Kündigung wegen Zahlungsverzugs weniger intensiv eingreife als dies ein Ausschluss der Miet- bzw. Pachtzahlungspflicht oder eine Stundung tun würde. In seiner weiteren Begründung verweist das OLG insbesondere auch auf die Urteilsbegründung des OLG Dresden, wonach Art. 240 § 2 EGBGB keine Sperrwirkung gegenüber den Auswirkungen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie auf das Bestehen oder den Umfang der Verpflichtung zur Zahlung der Miete bzw. Pacht entfalte. Vielmehr werde durch die Vorschrift unmittelbar nur das Kündigungsrecht wegen Zahlungsverzugs beschränkt; dagegen treffe § 2 keine Aussage über die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Höhe der Miete bzw. Pacht. Für diese Auffassung spreche auch Art. 240 § 7 EGBGB.
Auch habe das LG einen zur Minderung berechtigten Mangel mit der Begründung, die hoheitliche Maßnahme beruhe nicht unmittelbar auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache und betreffe lediglich den geschäftliche Erfolg des Beklagten, zu Recht abgelehnt. Wenngleich der Beklagte im Berufungsverfahren nicht zur Mangelhaftigkeit vorgetragen habe, so sei in der Zurückbehaltung der Pacht sowohl eine konkludente Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes als auch eine Minderung der Pacht zu sehen, weshalb das OLG insoweit eine Überprüfung von Amts wegen durchführte. Eine Mangelhaftigkeit scheide nach der Begründung des OLG aus, weil die vertraglichen Regelungen nicht dahingehend zu verstehen seien, dass der Verpächter die vereinbarte Nutzung unter allen erdenklichen Umständen gewährleisten wollte. Vielmehr sollte der Pächter bei nachträglich eintretenden Rechtsänderungen ausdrücklich auch das Kostenrisiko für etwaige Veränderungen und das Risiko der Nutzungsbeeinträchtigungen durch äußere Umstände tragen.
Ebenso habe das LG ein Erlöschen der Pachtzahlungspflicht aufgrund Unmöglichkeit der Leistung mit der Argumentation, die behördlich angeordnete Schließung betreffe lediglich das Verwendungsrisiko, zutreffend abgelehnt.
Auch die Ausführungen des LG zu einem möglichen Wegfall der Geschäftsgrundlage hielten einer rechtlichen Überprüfung stand, wenngleich das OLG von der Gebotenheit einer erneuten Überprüfung der rechtliche Ausführungen des LG absah. Denn der Beklagte habe sich erstinstanzlich auf einen solchen Anspruch nicht berufen und seine Berufung ausschließlich auf die vermeintlich fehlerhafte Anwendung des Art. 240 § 2 BGB gestützt; ein Angriff der weiteren die Klageabweisung begründenden Erwägungen des Erstgerichts fehlte, weshalb eine erneute Prüfung entbehrlich war.
Nach der Urteilsbegründung des LG liege ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht vor. Zum einen konnte nicht geklärt werden, ob die Parteien auch in Kenntnis einer staatlich verordneten Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels für die Dauer von einem Monat den Vertrag nicht oder nur mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Zum anderen sei das Festhalten am Vertrag für den Beklagten jedenfalls nicht unzumutbar. Der Beklagte habe lediglich Liquiditätsengpässe vorgetragen, die durch die Regelung des Art. 240 § 2 EGBGB ausreichend Berücksichtigung fänden. Außerdem sei der vorgelegte Umsatzeinbruch mangels Belege oder Nachweis über einen Steuerberater nicht verifizierbar. Überdies sei im Rahmen der Einzelfallabwägung auch miteinzubeziehen, dass der Verpächter Finanzierungs- und Erhaltungsmaßnahmen zu erbringen habe und von einer Bank gegebenenfalls in Anspruch genommen werden könne. Es sei nicht zu rechtfertigen, dem Verpächter insoweit das volle Risiko aufzubürden. Dies gelte vor allem auch vor dem Hintergrund, dass der Staat den Mietern bzw. Pächtern mit der Erweiterung des Kurzarbeitergeldes der Soforthilfen Ausgleichsansprüche ermöglicht habe.
Obgleich das OLG Schleswig mit wenig Überraschung in seinem Urteil mehr als deutlich gemacht hat, dass auch im Anwendungsbereich des Art. 240 § 2 EGBGB von der Fälligkeit der Miete bzw. Pacht auszugehen ist, so bleiben die Rechtsfolgen im Zusammenhang mit § 313 BGB weiterhin einer konkreten Einzelfallprüfung vorbehalten. Im Rahmen dieser Interessenabwägung bleiben Darlegungspflicht und -umfang zur Begründung einer solchen Miet-/Pachtanpassung für den betroffenen Hotelbetreiber weiterhin hoch – die bloße Berufung auf Liquiditätsengpässe genügt nicht. Vielmehr zeigt auch dieses Urteil, dass den Vermieter-/Verpächterinteressen und damit den Interessen der Hoteleigentümern im Rahmen der Einzelfallabwägung eine entscheidende Bedeutung zukommt.
Verfasst von: Marc P. Werner, Katrin Pilgram