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Angesichts steigender Baukosten und Wohnraummangels rücken Erbbaurechte als innovative Lösung für bezahlbaren Wohnraum in den Fokus. Dieser Artikel beleuchtet die Vorteile dieses Modells für Projektentwickler und Grundstückseigentümer, insbesondere die Senkung der Entwicklungskosten und flexiblere Finanzierungsmöglichkeiten. Entscheidend für den Erfolg sind klar strukturierte und ausgewogene Verträge. Dabei werden zentrale Aspekte wie Laufzeiten, Erbbauzins und Verfahren bei baulichen Veränderungen diskutiert. Der Beitrag zeigt, wie - mit der bestehenden Rechtslage - durch eine kluge Vertragsgestaltung eine Win-Win-Situation geschaffen werden kann.
Angesichts der anhaltenden Wohnungsknappheit in vielen deutschen Städten sind sich die politischen Akteure einig, dass es an der Zeit ist, neue Wege zu gehen, um den Herausforderungen des Wohnungsmarktes zu begegnen. Dabei rückt das Konzept der Erbbaurechte zunehmend in den Fokus der politischen Diskussionen. Erbbaurechte ermöglichen es Projektentwicklern und Wohnungskäufern, Grundstücke langfristig zu nutzen, ohne sie zu kaufen. Dies kann die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum erleichtern.
Ausgewogen gestaltet können Erbbaurechte die anfänglichen Projektentwicklungskosten für neuen Wohnraum erheblich reduzieren und die Finanzierung flexibler gestalten. Der Erbbauberechtigte muss nicht den vollen Bodenwert in die anfänglichen Entwicklungskosten aufnehmen, sondern kann statt dessen den Erbbauzins langfristig kalkulieren und aus den laufenden Erträgen finanzieren. Er muss den Wertanteil für Grund und Boden weder refinanzieren noch tilgen. Der Grundstückseigentümer wiederum erhält mit dem Erbbauzins einen langfristigen, sehr sicheren Zahlungsstrom aus dem Grundstück.
Erbbaurechte für die Entwicklung von Wohnraum können damit zu einer Win-Win Situation führen, wenn der Erbbaurechtsvertrag einfach gehalten wird und zwei wesentliche Grundsätze verfolgt: optimale Bewertungsparameter für das Erbbaurecht und konsequente Absicherung des Erbbauzinses. Beide Ziele stehen nicht in Konflikt zueinander.
Folgende Stellschrauben und Gestaltungsmittel sind für eine solche Win-Win Situation maßgeblich:
(a) Obwohl eine äußerst flexible Gestaltung der Laufzeit von Erbbaurechten möglich ist, werden diese in der Regel nur für 50 bis 99 Jahre vergeben. Problematisch ist dies insbesondere dann, wenn bei einem Weiterverkauf, einer umfassenden Modernisierung oder einer Refinanzierung ein Großteil der Laufzeit bereits abgelaufen ist. Für Erbbauberechtigte und ihre Finanzierer sind solche Erbbaurechte aus folgenden Gründen wenig attraktiv:
(b) Gestaltungsmittel:
Die Attraktivität des Erbbaurechts kann jedoch durch die Gestaltung der Laufzeit und des Erbbauzinses gesichert werden:
(a) Der Erbbauzins kann frei vereinbart werden, wobei in der Regel der anfänglich ersparte Kaufpreis für das Grundstück ins Verhältnis zum anfänglichen Erbbauzins gestellt wird. Denkbar ist auch die Vereinbarung eines bestimmten Erbbauzinses pro m² (anfänglich oder auch später) realisierter Wohnfläche.
(b) Für den Erbbauberechtigten sowie für den Grundstückseigentümer ist die Berechenbarkeit und Absicherung des Erbbauzinses von zentraler Bedeutung. Der Erbbauberechtigte muss die Entwicklung des Erbbauzinses abschätzen können. In diesem Zusammenhang wird die Gefahr diskutiert, dass der Erbbauberechtigte langfristig durch dadurch finanziell unter Druck geraten könnte, dass gestiegene Bodenwerte auch den Erbbauzins erhöhen.
Für die Finanzierung des Erbbaurechts ist wichtig, dass die Absicherung durch eine Erbbauzinsreallast den Beleihungswert des Erbbaurechts nicht über Gebühr belastet.
Für den Grundstückseigentümer wiederum muss der Erbbauzins in seiner wertgesicherten Form langfristig verlässlich im Grundbuch gesichert sein.
(c) Gestaltungsmittel:
Diese Wertsicherung sollte auch zum Inhalt der im Grundbuch einzutragenden Erbbauzinsreallast gemacht werden, so das auch die grundpfandrechtliche Absicherung des Erbbauzinses im Grundbuch automatisch angepasst wird.
Für die Erbbasouberechtigten ist die Bodenwertentwicklung nur dann noch relevant, wenn eine Verlängerung des Erbbaurechts erforderlich wird, weil die Restlaufzeit des Erbbaurechts nicht mehr ausreicht. Nur in diesen Fällen könnte der Grundstückseigentümer eine Anpassung des Erbbauzins verhandeln.
(a) Erbbaurechtsverträge sehen in der Regel eine Zwecksetzung für die Nutzung des Erbbaurechts vor und verpflichten den Erbbauberechtigten, das Erbbaurecht diesem Zweck entsprechend baulich zu nutzen. Zudem muss er das Erbbaugebäude in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten. Damit geht die Pflicht einher, bei substantiellen baulichen Maßnahmen oder Veränderungen die Zustimmung des Grundstückseigentümers einzuholen.
Der Erbbauberechtigte hat hier ein starkes Interesse daran, selbst über die Erhaltung, Veränderung oder gegebenenfalls auch Neuentwicklung des Erbbaugebäudes zu entscheiden. Denn er trägt in erster Linie die Chancen und Risiken der immobilienwirtschaftlichen Nutzung des Erbbaurechts.
Das Interesse des Grundstückseigentümers an einer gewissen Kontrolle ist dennoch nachvollziehbar, weil der Erbbauzins aus dem Erbbaurecht langfristig nur verlässlich erwirtschaftet werden kann, wenn das Erbbaurecht auch angemessen bebaut ist. Weil aber eine Wertbeeinträchtigung in erster Linie zu Lastendes Erbbauberechtigten und nur in gravierenden Fällen zu Lasten des Grundstückseigentümers geht, kann dem Erbbauberechtigte hier ein weiter Spielraum gelassen werden. Bei wesentlichen Änderungen kann ein Zustimmungsvorbehalt dem Grundstückseigentümer Kontrolle geben, wobei das Recht, die Zustimmung zu verweigern, beschränkt werden kann.
(b) Ein weiterer typischer Fall des Zustimmungsvorbehaltes für den Grundstückseigentümer sind Veräußerungen oder Belastungen des Erbbaurechts.
Mit dem Zustimmungsvorbehalt bei der Veräußerung will der Grundstückseigentümer vermeiden, dass ihm ein unzumutbarer Vertragspartner für die Fortsetzung des Erbbaurechts aufgedrängt wird.
Mit dem Zustimmungsvorbehalt für die Belastung mit Grundpfandrechten will er sicherstellen, dass sein Heimfallrecht nicht wirtschaftlich sinnlos wird. Denn bei Ausübung des Heimfalls hätte der Grundstückseigentümer sowohl das Grundpfandrecht mit der gesicherten Schuld zu übernehmen. Das setzt voraus, dass das Erbbaurecht nicht wertausschöpfend oder noch stärker belastet ist.
Der Grundstückseigentümer, der vorrangig an der Erwirtschaftung seines Erbbauzinses interessiert ist, wird aber vor allem auf seine Erbbauzinsreallast am Erbbaurecht achten. Über die Zwangsverwaltung des Erbbaurechts kann er damit die schnelle Sicherung der Erbbauzinszahlungen einfacher ermöglichen.
Zustimmungsvorbehalte bei der Veräußerung oder Belastung des Erbbaurechts sichern den Grundstückseigentümer also zusätzlich ab, können das Erbbaurecht für potentielle Erbbauberechtigte und Banken aber auch unattraktiv machen. Zwar besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung der Zustimmung unter bestimmten Voraussetzungen, diese sind jedoch recht abstrakt und der Anspruch praktisch daher nicht leicht durchsetzbar. Eine vertragliche Gestaltung ist daher dringend zu empfehlen.
(c) Gestaltungsmittel:
So können beispielsweise bestimmte Fälle zustimmungsfrei gestellt werden, wie zum Beispiel die Übertragungen des Wohneigentums an nahe Angehörige oder verbundene Unternehmen oder die Belastungen mit Grundpfandrechten bis zu einem bestimmten Gesamtbetrag.
Darüber hinaus kann ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung begründet werden, wenn konkret definierte Bonitätsanforderungen erfüllt sind bzw. die Belastung bestimmte Schwellenwerte (etwa einen Festbetrag oder z.B. 70 % des Verkehrswertes des Erbbaurechts) nicht überschritten wird.
(a) Ähnlich wie Volleigentum kann auch ein Erbbaurecht an einem Mehrfamilienhaus in Wohnungserbbaurechte aufgeteilt werden. Für den Erbbauberechtigten eröffnet dies die Möglichkeit, die Wohnungen im Einzelverkauf zu vermarkten.
Grundsätzlich haften nach der Aufteilung alle Wohnungserbbauberechtigten als Gesamtschuldner für den gesamten Erbbauzins. Dies kann dadurch vermieden werden, dass mit dem Grundstückseigentümer Regelungen zur Aufteilung des Erbbauzinses auf die einzelnen Wohnungserbbaurechte getroffen werden.
Der Grundstückseigentümer muss dabei auch Regelungen zur Zahlung des Erbbauzinses treffen, damit er nicht alle Erbbauzinszahlungen einzeln eintreiben muss und damit der Verwaltungsaufwand erhöht wird.
(b) Gestaltungsmittel:
(a) Bei Erbbauzinsrückständen für mehr als zwei Jahre, schweren Pflichtverletzungen oder Insolvenz des Erbbauberechtigten hat der Grundstückseigentümer in der Regel das vertragliche Recht, die Rückübertragung des Erbbaurechts zu verlangen (sog. Heimfall). Hierfür hat er grundsätzlich eine am Verkehrswert des Erbbaurechts orientierte Vergütung zu zahlen, jedoch häufig mit einem Abschlag von ca. 20 bis 30 %. Die auf dem Erbbaurecht lastende Finanzierung nebst Grundpfandrechten muss der Grundstückseigentümer beim Heimfall übernehmen, d.h. der Abschlag auf den Verkehrswert bei der Heimfallvergütung geht letztlich nur zulasten des Erbbauberechtigten, nicht seiner Finanzierungspartner.
Mit dem Heimfallrecht versuchen Grundstückseigentümer häufig, sich - ähnlich wie bei außerordentlichen Kündigungsrechten im Mietvertrag - einen "Notausgang" aus dem Erbbaurechtsvertrag offenzuhalten und das Verschulden des Erbbauberechtigten mit Abschlägen zu sanktionieren.
Anders als beim Mietvertrag, bei dem der Mieter den Mietgegenstand nicht errichtet hat, führt der Abschlag beim Heimfallrecht jedoch faktisch zu einer (teilweise) entschädigungslosen Enteignung des Erbbauberechtigten. Denn er verliert das von ihm errichtete Erbbaugebäude, ohne den vollen Verkehrswert zu erhalten.
Der Grundstückseigentümer trägt nach dem Heimfall zwar das Verwendungsrisiko für das Erbbaugebäude. Dies wird daher häufig als Argument für den Abschlag von der Verkehrswertentschädigung genutzt. Er erhält mit dem Heimfall aber auch den wirtschaftlichen Wert des Erbbaugebäudes. Will er das Verwendungsrisiko nicht tragen, steht ihm für den (wesentlichen) Fall der Nichtzahlung des Erbbauzinses mit der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung aus der Erbbauzinsreallast eine Alternative zur Verfügung, durch die der Erbbauzinsanspruch durchgesetzt oder der Erbbauberechtigte ausgetauscht werden kann, ohne dass der Grundstückseigentümer die Nachteile des Heimfalls tragen muss.
(b) Gestaltungsmittel:
(a) Erbbaurechtsverträge sehen häufig dingliche Vorkaufsrechte sowohl für den Grundstückseigentümer als auch für den Erbbauberechtigten vor. Dies bedeutet, dass bei einem Verkauf des Erbbaurechts der Grundstückseigentümer in den Verkaufsprozess einbezogen werden muss. Liegt seine Verzichtserklärung nicht vorab vor, muss der gesamte Kaufvertrag mit einem Dritten verhandelt und beurkundet werden und dann dem Grundstückseigentümer vorgelegt werden. Dies mindert die Attraktivität des Erbbaurechts.
Umgekehrt gilt: will der Grundstückseigentümer das Grundstück verkaufen – insbesondere mit dem Erbbauzinsanspruch als wertbildendem Faktor – kann das Vorkaufsrecht des Erbbauberechtigten dies ebenfalls erschweren. Gerade wenn ein Erbbaugrundstücksportfolio gebildet werden soll, ist ein Vorkaufsrecht nicht willkommen.
(b) Gestaltungsmittel:
Das Erbbaurecht bietet den Gestaltungsspielraum, um Wohnraum kostengünstiger als in Volleigentum zu entwickeln und dennoch dem Erbbauberechtigten attraktive Bedingungen zu bieten.
Dabei besteht kein dringender Bedarf an gesetzlichen Änderungen. Entscheidend ist vielmehr, dass der Fokus auf die Schaffung eines werthaltigen Erbbaurechts gelegt wird.
Insbesondere in Großstädten mit steigenden Grundstückspreisen kann das Erbbaurecht im Eigentums- oder Mietwohnungsbau genutzt werden, um die Gestehungskosten des Bauherrn zu reduzieren.
Verfasst von Dr. Martin Haase.