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Entfallen der Corona-Isolationspflicht und die Konsequenzen für Arbeitgeber

Mit Wirkung zum 16. November 2022 ist in Baden-Württemberg und Bayern als ersten Bundesländern die Isolationspflicht für Covid-19 Infizierte entfallen. Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz sind inzwischen gefolgt. Damit stellt sich für Arbeitgeber, die in diesen Bundesländern tätig sind, die Frage, ob und wie sie infizierte Mitarbeitende einsetzen können. Dieser Beitrag liefert erste Antworten zu den sich stellenden Fragen:

Dürfen infizierte Mitarbeitende an ihrem betrieblichen Arbeitsplatz tätig werden, wenn keine Isolationspflicht besteht?

Ja, wenn keine spezialgesetzlichen Vorschriften existieren, besteht kein allgemeines Beschäftigungsverbot.

So besteht beispielsweise in Bayern ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot in bestimmten Einrichtungen und Massenunterkünften (Ziffer 4 der bayerischen AV Corona-Schutzmaßnahmen) und im gesamten Bundesgebiet dürfen bestimmte Einrichtungen nur mit negativem Testergebnis betreten werden (§ 28b Abs. 1 Nr. 3 IfSG).

Arbeitgeber müssen bei bekannten Infektionen aber (über die allgemeinen Schutzvorkehrungen hinaus) besondere Sorgfaltsvorkehrungen treffen.

Darf der Arbeitgeber infizierte Mitarbeitende freistellen?

Nach unserer Einschätzung ja.

Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeitenden zwar im Grundsatz vertragskonform beschäftigen. Eine einseitige Freistellung ist aber möglich, wenn der Arbeitgeber ein schutzwürdiges, überwiegendes Interesse daran hat, einen Mitarbeitenden nicht zu beschäftigen. Die aktuell vorherrschenden Virusvarianten gehen mit einer sehr hohe Ansteckungsgefahr einher. Den Arbeitgeber trifft eine Fürsorgepflicht gegenüber den nicht infizierten Mitarbeitenden. Trotz besonderer Schutzmaßnahmen ist ein verlässlicher Schutz der Kolleg*innen kaum möglich. Umgekehrt würde die Freistellung nur für einen kurzen Zeitraum, in dem die infizierten Mitarbeitenden ansteckend sind, erfolgen. Daher überwiegt nach unserer Auffassung in der Regel das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers an einer Freistellung der infizierten Mitarbeitenden. Ausnahmen mögen bestehen, wenn die infizierten Mitarbeitenden keinerlei Kontakt zu anderen Kolleg*innen oder Dritten haben. Während der Freistellung ist der infizierte Mitarbeitende zu vergüten (§ 616 S. 1 BGB).

Haben infizierte Mitarbeitende eine Meldepflicht hinsichtlich einer bestehenden Infektion bei ihrem Arbeitgeber?

Nach unserer Einschätzung ja.

Die (infizierten) Mitarbeitenden haben gegenüber ihrem Arbeitgeber eine Rücksichtnahmepflicht. Der Arbeitgeber wiederum hat gegenüber seinen Mitarbeitenden eine Fürsorgepflicht. Dem Arbeitgeber muss daher die Möglichkeit gegeben werden, besondere Schutzmaßnahmen gegenüber den nicht infizierten Mitarbeitenden ergreifen zu können, um möglichst schnell und effektiv weitere Infektionen am Arbeitsplatz zu verhindern.

Der Arbeitgeber hat zur Kontaktnachverfolgung und zur Verhinderung weiterer Infektionen ein legitimes Interesse an der Kenntnis von der Infektion eines Mitarbeitenden. Dies gilt sowohl wenn der infizierte Mitarbeitende im Betrieb anwesend ist (was nach der Aufhebung der Isolationspflicht in einigen Bundesländern möglich ist), als auch wenn der Mitarbeitende erst anschließend von seiner Infektion erfährt und eine vorherige Ansteckung anderer Mitarbeitender im Betrieb möglich erscheint.

Hat der Arbeitgeber ein Fragerecht hinsichtlich einer bestehenden Infektion?

Nach unserer Einschätzung ja.

Nach unserer Auffassung haben infizierte Mitarbeitende eine Meldepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Damit geht umgekehrt auch ein Fragerecht des Arbeitgebers nach einer aktuellen Infektion einher.

Darf der Arbeitgeber Kontaktpersonen des Mitarbeitenden über dessen Infektion informieren?

Nach unserer Einschätzung ja.

Voraussetzung ist aber, dass der Arbeitgeber sich auf die Mitarbeitenden beschränkt, bei denen aufgrund vorheriger Kontakte ein mögliches Infektionsrisiko bestand oder bei denen zukünftig ein erhöhtes Infektionsrisiko bestehen wird. Auf die Nennung des Namens des infizierten Mitarbeitenden sollte dabei möglichst verzichtet werden.

Muss der Arbeitgeber einem infizierten Mitarbeitenden anbieten, von Zuhause zu arbeiten?

Nach unserer Einschätzung nein.

Wenn keine vertragliche Vereinbarung im Hinblick auf Telearbeit, Home Office oder mobile Arbeit besteht, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, Mitarbeitenden dies anzubieten.

Das Angebot, von Zuhause zu arbeiten, ist aber zu empfehlen, soweit keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Jedenfalls nach Wegfall der Isolationspflicht wird sich aber keine allgemeine Pflicht infizierter Mitarbeitender begründen lassen, von Zuhause arbeiten zu müssen (siehe unten). Wenn sich die infizierten Mitarbeitenden darauf einlassen, was häufig der Fall ist, erhält der Arbeitgeber für die Vergütung auch eine Arbeitsleistung.

Welche Maßnahmen sollte der Arbeitgeber treffen, wenn infizierte Mitarbeitende im Betrieb tätig werden?

Der Arbeitgeber sollte die von infizierten Mitarbeitenden ausgehende Gefahr für andere Mitarbeitende bei der Gefährdungsbeurteilung besonders berücksichtigen und über das allgemeine Hygienekonzept hinaus besondere Schutzmaßnahmen ergreifen. In Betracht kommt vor allem eine „Isolierung“ infizierter Mitarbeitender (z.B. Tätigwerden in Einzelbüros, keine Teilnahme an Meetings und Entbindung von physischen Kundenkontakten) sowie weitergehende Maskenpflichten für die infizierten Mitarbeitenden und Kolleg*innen in ihrem unmittelbaren Umfeld. Eine Stigmatisierung der infizierten Mitarbeitenden ist zu vermeiden. Die Mitarbeitenden im betreffenden Bereich sollten (möglichst ohne Namensnennung) darüber informiert werden, dass es einen Infektionsfall gibt, und zur besonderen Vorsicht angehalten werden. Insbesondere das Tragen von FFP2-Masken ist sinnvoll, wenn sich infizierte Mitarbeitende in demselben Raum mit anderen Mitarbeitenden aufhalten. Positiv getestete Personen dürften aber ohnehin oftmals bereits aufgrund landesgesetzlicher Regelungen verpflichtet sein, außerhalb ihrer eigenen Wohnung eine Maske zu tragen (vgl. etwa Ziffer 3.1 der bayerischen AV Corona-Schutzmaßnahmen).

Darf der Arbeitgeber einseitig Home Office für infizierte Mitarbeitende anordnen?

Nach unserer Einschätzung nein.

Davon wird zwar teilweise unter Verweis auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers ausgegangen. Jedenfalls nach Wegfall der Isolationspflicht dürfte sich das kaum begründen lassen. Technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen (FFP2-Maskenpflicht) dürften vorrangig sein.

Home Office kann natürlich dann nicht einseitig angeordnet werden, wenn die infizierten Mitarbeitenden arbeitsunfähig erkrankt sind, da dann schon überhaupt keine Arbeitspflicht besteht.

Fazit

Die Aufhebung der Isolationspflicht führt dazu, dass Arbeitgeber in den betroffenen Bundesländern auch infizierte Mitarbeitende in ihren Betrieben beschäftigen dürfen, wenn der Beschäftigung keine spezialgesetzlichen Vorschriften entgegenstehen. Dennoch dürfte es (wie bisher) empfehlenswert sein, mit den infizierten Mitarbeitenden zu vereinbaren, dass diese von Zuhause tätig werden. In vielen Unternehmen hat sich eine flexible Handhabung von Home Office und mobiler Arbeit für Bürotätigkeiten inzwischen ohnehin durchgesetzt.

 

 

Verfasst von Axel Huber und Christina Zweck.

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