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"Hamburger Brauch" hoch zwei – UVE bedarf zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr keiner konkret bezifferten Vertragsstrafe

Im Falle des Verstoßes gegen eine erste strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung (UVE) nach sogenanntem "Hamburger Brauch", d.h. ohne konkret bezifferte Vertragsstrafe, kann nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch eine zweite UVE nach "Hamburger Brauch" abgegeben werden. Es bedarf in einem solchen Fall zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr zukünftig also keiner UVE mit der Höhe nach bestimmter Vertragsstrafe. Darüber hinaus stellte der BGH fest, dass die Wiederholungsgefahr bei Abgabe einer strafbewehrten UVE nicht entfällt, wenn der Gläubiger die Annahme gegenüber dem (Unterlassungs-)Schuldner ablehnt. Der endgültige Wegfall der Wiederholungsgefahr ist mithin von einem Willensakt des Gläubigers abhängig.

Hintergrund

Die Klägerin ist eine bekannte Automobilherstellerin und unter anderem Inhaberin zweier Unionsmarken, die jeweils auch für Teile von Landfahrzeugen eingetragen sind. Die Beklagte vertrieb über ihren Internethandel unter anderem Türlichter für Kraftfahrzeuge, die ein Inlay mit den beiden Unionsmarken der Klägerin aufwiesen und entsprechende Lichtbilder projizierten. Bereits im Jahr 2016 hatte die Beklagte in einer ersten markenrechtlichen Auseinandersetzung mit der Klägerin eine UVE mit Vertragsstrafeversprechen nach "Hamburger Brauch" ohne bezifferte Vertragsstrafe abgegeben. Im Jahr 2019 ergaben Testkäufe der Klägerin schließlich den Vertrieb ähnlicher Türlichter durch die Beklagte.

Auf die Abmahnung der Klägerin und ihre Aufforderung zur Abgabe einer erneuten strafbewehrten Unterlassungserklärung – diesmal mit einer bezifferten Vertragsstrafe – verpflichtete sich die Beklagte erneut lediglich zur Unterlassung nach "Hamburger Brauch". Die Klägerin lehnte die Annahme der Erklärung mit dem Hinweis ab, diese sei mangels bezifferter Vertragsstrafe nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Sie erhob daraufhin Klage vor dem Landgericht Braunschweig auf Unterlassung und Zahlung der ursprünglichen Vertragsstrafe. Die Beklagte hielt dem entgegen, dass bereits der Zugang der weiteren strafbewehrten Unterlassungserklärung bei der Klägerin die Wiederholungsgefahr entfallen lasse, ohne dass es auf die Annahme durch die Klägerin ankomme. Zudem sei eine Unterlassungserklärung nach "Hamburger Brauch" auch bei wiederholten Verletzungsvorwürfen geeignet, die Wiederholungsgefahr auszuräumen.

Das Landgericht Braunschweig gab dem Zahlungsantrag der Klägerin erstinstanzlich statt, wies aber gleichzeitig den Unterlassungsantrag mangels Wiederholungsgefahr ab. Das OLG Braunschweig verurteilte die Beklagte im Berufungsverfahren lediglich zur Unterlassung in Bezug auf "kerngleiche Verletzungshandlungen". Mit der Revision verfolgte die Klägerin den ursprünglichen Unterlassungsantrag weiter.

Entscheidung des BGH

(BGH, Urt. v. 01.12.2022 – I ZR 144/21)

Unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach für den Wegfall der Wiederholungsgefahr der Zugang einer ernsthaften und unbedingten strafbewehrten Unterlassungserklärung beim Unterlassungsgläubiger ausreichte – und zwar unabhängig davon, ob der Abmahnende die UVE annahm oder nicht –, entschied der BGH nun zu Gunsten der Klägerin. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerfrei eine Markenrechtsverletzung festgestellt. Der daraus resultierende Unterlassungsanspruch sei jedoch nicht durch die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung und einen damit einhergehenden Wegfall der Wiederholungsgefahr erloschen. Denn die Wiederholungsgefahr entfalle bei Abgabe einer strafbewehrten UVE nicht, wenn der Gläubiger die Annahme gegenüber dem (Unterlassungs-)Schuldner ablehne – berechtigt oder nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung genüge für den Wegfall der Widerholungsgefahr grundsätzlich der Zugang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Schuldners, sofern sich diese als Ausdruck eines ernsthaften und unbedingten Unterlassungswillens darstelle. Erforderlich sei lediglich, dass die Erklärung bis zu ihrer Annahme oder Ablehnung durch den Gläubiger bindend sei, da nur dies gegenüber dem (Unterlassungs-)Schuldner eine hinreichende Abschreckungswirkung entfalte. Allerdings fehle es an dieser Abschreckungswirkung, sobald dem Schuldner eine Ablehnungserklärung des Gläubigers zugehe. Ab dem Zugang der Ablehnung müsse der Schuldner nicht mehr mit einer Vertragsstrafeforderung rechnen, so dass auch keine verhaltenssteuernde Vertragsstrafeandrohung bestehe, die den Schuldner von zukünftigen Verstößen abhalten könne.

Zwar sei der endgültige Wegfall der Wiederholungsgefahr damit von einem Willensakt des Gläubigers abhängig; darin sei jedoch keine unzulässige Benachteiligung des (Unterlassungs-)Schuldners zu sehen. Denn der Kostentragung könne sich der Schuldner bei einer gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs seitens der Erstgläubigers durch ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO entziehen. Zur Abwendung der Gefahr einer Mehrfachabmahnung durch Drittgläubiger und einer Belastung des Schuldners mit zusätzlichen Abmahnkosten bestehe die Möglichkeit der Drittunterwerfung. Der BGH betont zudem, dass der Schuldner bis zum Zugang der Ablehnung die durch die Verletzungshandlung begründete Vermutung einer Wiederholungsgefahr durch einen Verweis auf seine einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung sowohl gegenüber dem Erstgläubiger als auch gegenüber dem Drittgläubiger widerlegen könne.

Zugleich stellte der BGH fest, dass auch im Falle eines Verstoßes gegen eine erste UVE nach "Hamburger Brauch" eine zweite UVE nach "Hamburger Brauch" abgegeben werden könne. Auch einer weiteren Unterlassungserklärung nach "Hamburger Brauch" wohne eine höhere Strafbewehrung inne, welche die Wiederholungsgefahr bei erneuter Verletzungshandlung ausräume. Um der im Wiederholungsfall geforderten höheren Strafbewehrung zu entsprechen, bedürfe es also keiner Verpflichtung zur Zahlung einer festen Mindeststrafe. Ein Vertragsstrafeversprechen nach "Hamburger Brauch" entfalte mit der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe in zuvor nicht absehbarer Höhe festzusetzen, auch im Wiederholungsfall die notwendige Abschreckungswirkung, zumal der Umstand der wiederholten Zuwiderhandlung bei einer gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu berücksichtigen sei. Eine strafbewehrte UVE nach "Hamburger Brauch" ohne Angabe einer Mindeststrafe sei deshalb auch nach einer erneuten Verletzungshandlung geeignet, die bestehende Widerholungsgefahr auszuräumen, da der Schuldner in einem solchen Fall einem angemessenen höheren Strafrisiko ausgesetzt sei. Eine Benachteiligung des Gläubigers durch das Risiko der Bestimmung der "angemessenen" Vertragsstrafe gemäß §§ 315ff. BGB sowie eines nachfolgenden Rechtsstreits darüber besteht nach Ansicht des BGH nicht.  

Fazit

Die Entscheidung des BGH betrifft zwei äußerst praxisrelevante Fragestellungen und bietet für den (Unterlassungs-)Schuldner Licht und Schatten zugleich. Die Möglichkeit der Abgabe einer zweiten Unterlassungserklärung nach "Hamburger Brauch" mag für ihn zwar auf den ersten Blick vorteilhaft erscheinen, da der Schuldner sich auf der einen Seite nicht zur Zahlung einer möglicherweise deutlich überhöhten festen Vertragsstrafe verpflichten muss. Auf der anderen Seite bedeutet die Ablehnungsmöglichkeit des Gläubigers, dass er den Schuldner im Ergebnis zur Abgabe einer UVE mit fester Vertragsstrafe "zwingen" kann. Dies gilt in Anbetracht der Ausführungen des BGH nun auch bereits bei einer ersten Verletzung. Denn selbst im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses dürften die eigenen Anwaltskosten des (Unterlassungs-)Schuldners oftmals deutlich über den nach RVG erstattbaren Sätzen liegen. Der Schuldner wird sich daher zukünftig gut überlegen müssen, ob er der Forderung des Gläubigers nach Abgabe einer UVE mit der Höhe nach fester Vertragsstrafe zumindest unter Kostengesichtspunkten besser nachgeben sollte, um einer anderenfalls drohenden gerichtlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen. Die Ablehnungsmöglichkeit des Gläubigers kann sich insofern als erhebliches Druckmittel darstellen.


Verfasst von Dr. Patrick Fromlowitz, LL.M. (Edinburgh) und Dr. Hendrik Schulze, LL.M. (Rijksuniversiteit Groningen)

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