Unser interaktiver AI Hub informiert über die neuesten Trends und Entwicklungen.
Die Gewinnung qualifizierten Personals allein auf Basis des Mindesturlaubs des Bundesurlaubsgesetzes von 20 Tagen bei einer 5-Tage-Woche ist in der Praxis häufig unmöglich. Anders als der gesetzliche, unterliegt der darüber hinaus gewährte vertragliche Urlaubsanspruch allerdings nicht automatisch den starren Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes. Dies eröffnet wichtige Spielräume, die durch geschickte Klauselgestaltung genutzt werden können. So können auch jüngere, europarechtlich geprägte Entwicklungen des Urlaubsrechts in ihren Auswirkungen für den Bereich des vertraglichen Urlaubsanspruchs gezielt abgemildert werden. Wichtiges Beispiel hierfür ist die Rechtsprechung zur unionsrechtlich gebotenen Einschränkung des Verfalls von Urlaubsansprüchen. Arbeitgeber*innen sind gut beraten, wenn sie für den übergesetzlichen Teil des Urlaubs ausdrückliche und differenzierte Regelungen in den Standardarbeitsverträgen vorsehen. Nicht nur aus Gründen der AGB-Kontrolle ist dabei natürlich weiterhin sorgfältig auf eine für die Arbeitnehmer*innen hinreichend attraktive und für alle Seiten interessengerechte Regelung zu achten.
Dies ist der erste Beitrag unserer Beitragsreihe „Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht“, in welcher wir aktuelle arbeitsrechtliche Themen erläutern und Praxishinweise geben. Vorschläge für die dazugehörigen Klauseln finden sich in unserem kürzlich erschienenen Beck’schen Formularbuch Arbeitsrecht, welches von den Arbeitsrechts- Partner*innen von Hogan Lovells bereits in der 4. Auflage herausgegeben wird und in das umfangreiche Know-How unserer Anwält*innen eingeflossen ist.
Bei Abschluss des Arbeitsvertrages ist hinsichtlich der Urlaubstage zwischen dem gesetzlichen Mindest- bzw. gesetzlichen Zusatzurlaubsanspruch der Arbeitnehmer*innen und einem („freiwillig“) vertraglich gewährten Mehrurlaub sorgfältig zu unterscheiden. Während bei der Regelung des gesetzlichen Mindesturlaubs von den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes sowie den hierfür entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzen nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer*innen abgewichen werden darf, gelten dieselben Regelungen für den vertraglichen Urlaub nur, wenn keine abweichenden Vereinbarungen getroffen werden. Wollen Arbeitgeber*innen also von den typischen 30 Urlaubstagen zumindest 10 ein wenig flexibler handhaben, wird die Urlaubsklausel im Arbeitsvertrag den knappen Satz „Sie erhalten einen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen pro Kalenderjahr.“ doch ein wenig verlängern müssen.
Dabei darf eine praxisgerechte Gestaltung die Attraktivität eines längeren Urlaubsanspruchs aber natürlich nicht in Frage stellen. Arbeitnehmer*innen müssen gerade im ununterbrochenen und „störungsfreien“ Arbeitsverhältnis natürlich auch die versprochenen (25 bis) 30 Urlaubstage tatsächlich nehmen können. Dies soll auch eine komplexere Urlaubsregelung ausdrücklich nicht verhindern. Ein solche kann aber der Anwendung der gesetzlichen Regelungen für den vertraglichen Mehrurlaub durchaus einige „Spitzen nehmen“, wo diese durch Erholungszwecke und Arbeitgeberattraktivität nicht mehr geboten sind. Hogan Lovells hat deshalb im Beck’schen Formularbuch Arbeitsrecht eine Urlaubsklausel mit differenzierten Regelungen bezüglich Entstehung, Kürzung, Übertragung, Verfall, Abgeltung und Erstattung von vertraglichen Urlaubsansprüchen formuliert, welche in Auszügen in diesem und einem späteren Beitrag vorgestellt werden.
Eine ausgewogene Regelung zum Zwecke des interessengerechten Ausgleichs ist vor allem hinsichtlich der Übertragbarkeit und des Verfalls von Urlaubsansprüchen dringend erforderlich.
Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz regelt die Übertragung und den Verfall des gesetzlichen Urlaubs. Über die gesetzlich definierten Fälle der Übertragbarkeit hinaus gibt es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs umsetzt, aber Konstellationen, in denen Urlaubsansprüche nicht am 31. März des Folgejahres verfallen. Dies gilt etwa dann, wenn Arbeitnehmer*innen ihren Urlaub krankheitsbedingt nicht in Anspruch nehmen konnten. Hier verfällt der Anspruch nach der Rechtsprechung erst 15 Monate nach Ablauf des ursprünglichen Urlaubjahres. Zum anderen schafft die Rechtsprechung bestimmte Mitwirkungsobliegenheiten für Arbeitgeber*innen. Sie verlangt, dass die Arbeitnehmer*innen ausdrücklich zur Beantragung des Urlaubs aufgefordert und klar und rechtzeitig auf den bevorstehenden Verfall hingewiesen werden. Kommen die Arbeitgeber*innen dem nicht nach, bleibt der Urlaubsanspruch über den 31. März des Folgejahres hinaus bestehen.
Weder die Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG noch die genannten Grundsätze der Rechtsprechung müssen aber für den vertraglichen Urlaubsanspruch zwingend eingehalten werden. Um diese Differenzierung transparent im Arbeitsvertrag anzulegen, sollte schon einmal klargestellt werden:
„Der Arbeitnehmer hat einen Urlaubsanspruch von insgesamt [30] Arbeitstagen pro Kalenderjahr („Jahresurlaub“). Der Jahresurlaub beinhaltet den Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz und einen zusätzlichen vertraglichen Urlaub von [10] Arbeitstagen pro Kalenderjahr („vertraglicher Urlaub“). Etwaiger gesetzlicher Zusatzurlaub erhöht den Jahresurlaub.“
und ebenfalls
„Genommener Urlaub wird zuerst auf den Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz und auf etwaigen gesetzlichen Zusatzurlaub (zusammen „gesetzlicher Urlaub") angerechnet.“
Da die gesetzlichen Urlaubstage vorrangig verbraucht werden, bleiben gegen Ende eines Kalenderjahres häufig vor allem vertragliche Ansprüche bestehen. Die – zulässige – Vereinbarung eines automatischen und ersatzlosen Verfalls dieser vertraglichen Urlaubstage zum Kalenderjahresende liefe aber in der Praxis auf einen hohen „Urlaubsdruck“ in der Belegschaft und erhebliche personalplanerische Herausforderungen im für viele Branchen wichtigen 4. Quartal hinaus. Hier heißt es folglich: Zulässig, aber nicht praxistauglich! Es ist vielmehr für beide Vertragsparteien vorteilhaft, wenn eine Übertragbarkeit auch des vertraglichen Urlaubs bis zum 31. März des Folgejahres vereinbart wird, wenn die gesetzlichen Übertragungsvoraussetzungen vorliegen. Auch für den vertraglichen Urlaub soll es also nicht zu einer automatischen Übertragung in das Folgejahr kommen, nur weil er nicht genommen wurde. Die Voraussetzungen für die Übertragung gesetzlichen Urlaubs (dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe) sollen vielmehr auch hier Anwendung finden. Die nachfolgend vorgestellte Klausel gewährleistet zusätzlich, dass bei Nichtinanspruchnahme von vertraglichem Urlaub aufgrund von Arbeitsunfähigkeit von der Rechtsprechung zum Verfall erst 15 Monate nach Ablauf des ursprünglichen Urlaubsjahres wirksam abgewichen wird.
„Für die Übertragung des vertraglichen Urlaubs gelten die gesetzlichen Vorschriften mit der Maßgabe, dass nicht übertragener vertraglicher Urlaub mit Ablauf des 31. Dezember des laufenden Kalenderjahres und übertragener vertraglicher Urlaub in jedem Fall mit Ablauf des 31. März des folgenden Kalenderjahres verfällt.“
Gleichzeitig sollte aber ausdrücklich darauf geachtet werden, dass die weiteren Einschränkungen des Verfalls entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den vertraglichen Teil des Urlaubs keine Anwendung finden. So können sich Arbeitgeber*innen im Arbeitsvertrag der oben erwähnten Aufforderungs- und Informationsobliegenheiten für den vertraglichen Urlaubsanspruch wirksam entledigen. Gerade dann, wenn am Ende des Kalenderjahres häufig nur vertragliche Urlaubsansprüche verbleiben, werden ungewünschte „Aufstaueffekte“ verringert oder ausgeschlossen, wenn neben der vorstehenden auch die nachfolgende Klausel vereinbart wird.
„Einer Aufforderung zur Inanspruchnahme von vertraglichem Urlaub oder einer Information über den möglichen Verfall vertraglichen Urlaubs durch den Arbeitgeber bedarf es zu keinem Zeitpunkt.“
Wie auch Entstehung, Kürzung, Abgeltung und Erstattung des vertraglichen Urlaubsanspruchs interessengerecht geregelt werden können, erfahren Sie in Kürze in einem Folgebeitrag.
Verfasst von: Matthes Schröder.