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Vertragsstrafe wegen verspäteter Übergabe des Mietgegenstandes – Was ist (noch) angemessen?

Dass pandemie-, personal- und baustoffmangelbedingt die termingerechte Vollendung von Baumaßnahmen inzwischen eher die Ausnahme als die Regel sein dürfte, ist bekannt. Dies ist (nicht nur) für Bauherren ärgerlich. Oft ist der Mietgegenstand, der (um-)gebaut wird, bereits vermietet und ein Vertragsstrafe bewehrter Übergabetermin im Mietvertrag zwischen den Parteien bereits vereinbart. In diesem Kontext hat sich nun das OLG Bremen mit der (noch) angemessenen Höhe der Vertragsstrafen auseinandergesetzt (Urteil vom 09.12.2022 – 4 U 20/21).

Sachverhalt

Die Parteien haben einen Mietvertrag über ein Ladengeschäft geschlossen, welches der Vermieter vor Übergabe umbaute. Vereinbart war eine Übergabe am 30.08.2017 und eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.500,00 Euro für jeden Tag, an dem sich der Vermieter mit der Übergabe des Mietgegenstandes in Verzug befindet. Die Übergabe fand schlussendlich am 22.11.2017 – mithin 84 Tage verspätet – statt. Die Mieterin klagte daher auf Zahlung von 378.000,00 Euro (4.500 Euro x 84 Tage). Zuletzt hat das OLG Bremen das Urteil des Landgerichts Bremen, das der Klage stattgegeben hat, bestätigt. Dabei hatte es im Wesentlichen drei Rechtsfragen zu klären.

AGB oder Individualvereinbarung?

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) liegen immer dann vor, wenn ein Vertragspartner dem anderen eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Klausel vorlegt, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wird. Die AGB wird wegen des vermuteten Machtgefälles zwischen den Parteien einer deutlich schärferen Überprüfung unterzogen. Hier stellte sich die Frage, ob die in Streit stehende Klausel im Einzelnen ausgehandelt wurde und es sich daher um eine Individualvereinbarung handelt oder nicht. Das OLG Bremen ging vorliegend von einer Individualvereinbarung aus und stützte dies darauf, dass in einem früheren Entwurf des Mietvertrages, der zwischen den Parteien ausgetauscht worden war, noch eine niedrige Vertragsstrafe stand und diese im Gegenzug für eine Verschiebung des Übergabetermins erhöht wurde. Daher war keine verschärfte Überprüfung anhand des AGB-Rechts vorzunehmen.

Treuwidrigkeit der Vertragsstrafe gemäß § 242 BGB

Individualvereinbarungen sind wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit nur selten unwirksam. Im Einzelfall kann eine Klausel jedoch unwirksam sein, wenn ihre Anwendung gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde. Bei Vertragsstrafen ist dies nach der Rechtsprechung des BGH immer dann der Fall, wenn die vorgesehene Strafe im Verhältnis zur Schwere des Vertragsverstoßes unangemessen ist.

Im vorliegenden Fall betrug die Vertragsstrafe mit 4.500,00 Euro immerhin etwa 3,76-fache der Tagesnettomiete von 1.196,71 Euro. Dies hielt das OLG Bremen allerdings für angemessen. Es stützte sich unter anderem darauf, dass im Mietvertrag zwischen den Parteien von einem monatlichen Mindestumsatz von 275.000,00 Euro in den vermieteten Flächen ausgegangen worden war und die Vertragsstrafe daher nicht den erwarteten Tagesumsatz übersteige. Maßgeblich für die Entscheidung sei aber gewesen, dass die Strafe zwischen den Parteien ausgehandelt worden sei. Es sei daher nicht Sache des Gerichts, seine Erwägungen zur Angemessenheit an die Stelle der im „unternehmerischen Rechtsverkehr in nicht zu beanstandender Weise“ zustande gekommene Wertung zu setzen.

Auch aus dem Fehlen einer Höchstgrenze für die Strafe lässt sich dem OLG Bremen zufolge keine Unangemessenheit der Vereinbarung herleiten. Weil der Vermieter nach der gesetzlichen Regelung des Mietrechts eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung für die Bereitstellung der Räume übernimmt, handele es sich bei der verspäteten Übergabe um einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen eine seiner Kardinalspflichten. Dies rechtfertige auch eine hohe Strafe.

Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB

Eine Besonderheit von Vertragsstrafen ist, dass über die Überprüfung der Wirksamkeit der Klausel hinaus auch eine Überprüfung der im Einzelfall verwirkten Strafe möglich ist. Wenn diese im Einzelfall als unangemessen festgestellt wird, kann das Gericht die Strafe gemäß §§ 315, 343 Abs. 1 BGB auf einen angemessenen Betrag senken. Hiervon machte das OLG Bremen keinen Gebrauch. Die Strafe sei nicht unangemessen hoch. Insbesondere könne sich der Vermieter nicht darauf berufen, dass der Mieter ohnehin eine spätere Eröffnung des Ladens geplant habe und ihm durch die Verzögerung kein Schaden entstanden sei. Denn bei der Vertragsstrafe sei, anders als beim Schadensersatz, gerade nicht der eingetretene Schaden maßgeblich, sondern der Schaden, der hätte eintreten können.

Fazit

Auch wenn das OLG Bremen im konkreten Fall das Vorliegen einer Individualvereinbarung angenommen hat, muss weiterhin in aller Regel vom Vorliegen von AGB ausgegangen werden. Die Gerichte stellen hohe Voraussetzungen an das Merkmal „im Einzelfall ausgehandelt“. Um eine möglichst „AGB-feste“ Formulierung zu finden, ist eine juristische Beratung daher unerlässlich.

Hinsichtlich des Inhalts der Vertragsstrafe lässt sich die Entscheidung mit einem einfachen Grundsatz des Zivilrechts zusammenfassen: pacta sunt servanda - Verträge sind einzuhalten.

Abzuwarten bleibt, ob das Urteil Bestand haben wird. Das Verfahren ist beim BGH derzeit anhängig. Die Entscheidung des OLG Bremen scheint allerdings im Wesentlichen den vom BGH aufgestellten Leitlinien zu folgen.

 

 

Authored by Antonia von Laufenberg.

 

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