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Neue Gestaltungsmöglichkeiten in Gläubigervereinbarungen Dank StaRUG - Reichweite und Grenzen aus Praktikersicht

Maßgeblicher Anwendungsbereich des StaRUG sind finanzielle Restrukturierungen. Eine Rolle dürfte dabei künftig die Regelung des § 2 Abs. 2 StaRUG spielen, die Eingriffe in bestimmte mehrseitige Rechtsverhältnisse sowie Gläubigervereinbarungen ermöglicht, was insbesondere für Konsortialkreditverträge, Schuldscheindarlehen, Restrukturierungsvereinbarungen, Inhaberschuldverschreibungen (Anleihen, Bonds) und Gläubigervereinbarungen (Intercreditor Agreements) relevant sein dürfte. In dem nachfolgenden Beitrag werden die Gestaltungsmöglichkeiten durch das StaRUG erläutert.

 

Einleitung

Wie Kinder auf Weihnachten fieberte die Restrukturierungsszene auf das zum 1. Januar 2021 in Kraft getretene Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) hin, denn die Restrukturierungs-Richtlinie versprach großes Potenzial für ein weitreichendes außergerichtliches Restrukturierungsverfahren. Zum Jahresbeginn 2021 trat dann der Hauptteil des neuen Gesetzes in Kraft. Nach anderthalb Jahren lohnt sich nun ein kritischer Blick: Hat sich das StaRUG als taugliches neues Werkzeug in der Toolbox für Restrukturierungen bewährt oder sich vielmehr als Attrappe entpuppt? Und was kann es eigentlich? 

[Restrukturierungs-Richtlinie: Richtlinie (EU) 2019/1023 vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren.]

Die Covid-bezogenen Staatshilfen und sonstigen Unterstützungsmaßnahmenhaben haben die lang erwartete Insolvenzwelle in den letzten Jahren weiter zurückgedrängt. Die Insolvenzzahlen waren historisch niedrig – knapp 14.000 im Jahr 2021 verglichen mit fast 19.000 im Jahr 2019. Die Zahl der StaRUG-Verfahren (22 Verfahren in dem Jahr 2021) war ebenfalls nicht hoch, passten aber ins Bild der insgesamt ruhigen Restrukturierungs- und Insolvenzszene. 

[Am Erfolg einer der prominentesten Restrukturierungen mit Hilfe des StaRUG hat auch Hogan Lovells mitgearbeitet.]

[Morgen (Hsrsg), StaRUG, Kommentar zum Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen.]

Als Krisenstabilisator und Allheilmittel konnte sich das neue Gesetz also nicht entpuppen. Seine Existenzberechtigung hat es trotzdem. Wir erklären warum:

Wenn man bedenkt, dass es sich bei dem StaRUG um ein neues Gesetz für ein komplexes Restrukturierungsverfahren mit einem eher schmalen Anwendungsbereich handelt, hat das StaRUG trotz der ruhigen Restrukturierungsbranche in den letzten Jahren keinen schlechten Start hingelegt.

Zum einen entfaltet das StaRUG einen nicht zu unterschätzenden Teil seiner Wirkung schon durch seine bloße Existenz. Allein die neuen Möglichkeiten, die es Unternehmen in der Krise mit Blick auf Eingriffe in die Rechte der Gläubiger bietet, verschieben die Kräfteverhältnisse in der Restrukturierung, indem sie dem Schuldner einen neuen Verhandlungshebel an die Hand geben. Der Schuldner muss das StaRUG nicht einmal nutzen; allein dass er es könnte, kann sich schon als Drohkulisse auf die Verhandlungen mit seinen Gläubigern auswirken. Schon deshalb ist jeder, der ein Unternehmen leitet oder in einer Workout-Abteilung arbeitet, gut beraten, sich mit den Gestaltungsoptionen des StaRUG einmal auseinanderzusetzen.

Maßgeblicher Anwendungsbereich des StaRUG sind finanzielle Restrukturierungen. Eine Rolle dürfte dabei künftig § 2 Abs. 2 StaRUG spielen. Diese Regelung ermöglicht Eingriffe in bestimmte mehrseitige Rechtsverhältnisse sowie Gläubigervereinbarungen. Selbst Einzelbestimmungen dieser Vereinbarungen können nun auf Grundlage eines Restrukturierungsplans geändert werden. Mit einem Insolvenzplan ist das nicht ohne weiteres möglich – das StaRUG geht hier also weiter als die Insolvenzordnung. Praktisch wichtig dürfte der § 2 Abs. 2 StaRUG insbesondere für Konsortialkreditverträge, Schuldscheindarlehen, Restrukturierungsvereinbarungen, Inhaberschuldverschreibungen (Anleihen, Bonds) und Gläubigervereinbarungen (Intercreditor Agreements) sein. 

Zweck des § 2 Abs. 2 StaRUG

Eine finanzielle Restrukturierung in der Unternehmenskrise bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Gläubiger des Unternehmens auf ihre Forderungen ganz oder teilweise verzichten müssen (Haircut). Es kann auch bereits genügen, die Bedingungen der Finanzierung anzupassen. Das können Laufzeitverlängerungen und abweichende Tilgungsstrukturen sein, aber auch geänderte Rangverhältnisse. Beispielsweise könnte ein "weißer Ritter" bereit sein, neues Geld zur Rettung des Unternehmens zur Verfügung zu stellen, dafür aber Sonderrechte verlangen, die mit der bestehenden Finanzierung bzw. den Interessen der bestehenden Finanzierer im Konflikt stehen. Oder ein Teil der bestehenden Finanzierer ist bereit, ihren Kreditanteil in einen Sanierungskredit mit geänderten Bedingungen zu rollen, verlangt dafür aber in bestimmten Aspekten eine Besserstellung gegenüber anderen Mitgliedern des alten Konsortiums.

Der neue § 2 Abs. 2 StaRUG unterstützt solche Maßnahmen, indem er es ermöglicht, Bedingungen in Finanzierungsverträgen und Gläubigervereinbarungen an die Restrukturierungssituation anzupassen. Ihre Schlagkraft erhält die Norm über die Regelungen zum Restrukturierungsplan, nach denen die Zustimmung von opponierenden Akkordstörern durch Mehrheitsbeschluss ersetzt werden kann.

Gestaltung von mehrseitigen Rechtsverhältnissen

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 StaRUG sind mehrseitige Rechtsverhältnisse auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans gestaltbar. Dazu gehören zum Beispiel Konsortialkreditverträge, Gläubigervereinbarungen oder, wie § 2 Abs. 2 S. 2 StaRUG klarstellt, Schuldtitel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG (u. a. Inhaberschuldverschreibungen) und Verträge, die zu gleichlautenden Bedingungen mit einer Vielzahl von Gläubigern geschlossen wurden (z.B. Schuldscheindarlehen).

In Betracht kommen alle für die Restrukturierung erforderlichen Änderungen, zum Beispiel:

  • Stundungen

  • Änderungen der Tilgungsstruktur

  • Anpassungen der Zinsregelungen

  • Änderung oder Streichung von Finanzkennzahlen (Financial Covenants)

  • Anpassung der Kündigungsrechte

  • Änderung von vertraglich vereinbarten Rangverhältnissen

  • Änderung von Zustimmungserfordernissen

Es sprechen zudem gute Argumente dafür, dass auch die Regelungen von Restrukturierungsvereinbarungen auf Grundlage eines Restrukturierungsplans umgestaltet werden können, beispielsweise durch Änderung, Ergänzung oder Aufhebung der durch den Schuldner zu erreichenden Meilensteine oder sonstiger Verpflichtungen des Schuldners.

Solche Änderungsmöglichkeiten durch Mehrheitsentscheid waren außerhalb der Insolvenz bislang vor allem im Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) vorgesehen. Das StaRUG eröffnet diese Möglichkeit nun auch für andere mehrseitige oder gleichartige Verträge. Es leistet damit einen wertvollen Beitrag für die künftige Restrukturierung insbesondere von Schuldscheindarlehen und Gläubigervereinbarungen, deren Existenz eine Restrukturierung besonders erschweren können, wenn Akkordstörer die Mitwirkung an der Restrukturierung verweigern, etwa weil sie aus übergeordneten Gründen die Finanzierung loswerden möchten oder weil sie bessere Konditionen heraushandeln wollen. Bei diversifizierten Finanzierungsinstrumenten wie Anleihen und Schuldscheinen kommt in manchen Fällen noch dazu, dass der Schuldner sich einer Vielzahl an Gläubigern gegenübersieht. Eine große Zahl an Gläubigern, die sämtlich der Restrukturierung ihrer Forderungen zustimmen müssten, kann für sich schon eine kaum zu überwindende Restrukturierungshürde darstellen. Dem können die neuen Regelungen im StaRUG Abhilfe schaffen.

Für Anleihen hat der Schuldner künftig die Wahl, ob er sie nach den Regeln des Schuldverschreibungsgesetzes restrukturieren möchte (das teilweise niedrigere Mehrheitserfordernisse vorsieht) oder nach dem StaRUG (dessen Gläubigerschutz weniger ausgeprägt ist) – oder ob er beides kombiniert und sich beispielsweise zu Nutze macht, dass ein zunächst nach den Regeln des SchVG bestellter gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger nach § 19 Abs. 2, 5 SchVG im StaRUG-Verfahren zum sog. starken Vertreter erstarkt, der für alle Anleihegläubiger über den Plan abstimmen darf. 

Umfang der Gestaltungsmöglichkeiten

Im Hinblick auf die Gestaltungsmöglichkeiten auf Basis eines Restrukturierungsplans sind in der Literatur und Rechtsprechung vor allem zwei Punkte Gegenstand von Diskussionen: 
(a)    Umstritten ist zum einen, ob Änderungen an Vereinbarungen vorgenommen werden dürfen, die für die Erreichung des Restrukturierungsziels lediglich nützlich sind (und nicht zwingend erforderlich). 
(b)    Diskutiert wird außerdem, ob es sich in jedem Fall nur um eine Änderung bestehender Regelungen handeln darf, oder ob auch neue Regelungen in das Vertragsverhältnis eingefügt werden dürfen.

Limitierung auf zwingend erforderliche Gestaltungen

Das Amtsgericht Köln vertritt in einem Hinweisbeschluss vom 3. März 2021 (Az. 83 RES 1/21) die Auffassung, dass mehrseitige Rechtsverhältnisse wie Konsortialkreditverträge durch einen Restrukturierungsplan umfassend geändert werden können. Die vorzunehmenden Änderungen seien nicht auf solche beschränkt, die für die Erreichung des Restrukturierungsziels zwingend erforderlich sind. Vielmehr seien auch zweckmäßige Änderungen zulässig. Eine Beschränkung auf für die Erreichung des Restrukturierungsziels zwingend erforderliche Änderungen sei weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich vielmehr, dass es für die Phase der Umsetzung der Restrukturierung zweckmäßig (nicht: erforderlich) sein kann, übermäßig restriktive Bedingungen und Nebenbestimmungen zu lockern oder an die Restrukturierungssituation anzupassen. Möglich seien damit auch Regelungen mit einer "überschießenden Tendenz", da keine Erforderlichkeit, sondern nur eine Zweckmäßigkeit für eine Änderung vorliegen müsse.

Zur Unterstützung dieser Auffassung wird argumentiert, dass eine Differenzierung zwischen erforderlichen und zweckmäßigen Änderungen durch das Restrukturierungsgericht im Einzelfall kaum rechtssicher getroffen werden könne. Dagegen lässt sich vorbringen, dass sich die für eine Restrukturierung erforderlichen Maßnahmen mit Hilfe eines Sanierungsgutachtens weitestgehend identifizieren lassen dürften, sodass das Restrukturierungsgericht aus praktischer Sicht durchaus im Stande sein könnte, zwischen erforderlichen und lediglich zweckmäßigen Änderungen zu differenzieren.

Allerdings ist es nicht Aufgabe des Restrukturierungsgerichts, sondern der Planbetroffenen, den vom Schuldner erarbeiteten Restrukturierungsplan als sachgerecht zu bewerten (§ 25 StaRUG). Das StaRUG verlangt die Zustimmung von mindestens 75 % der Stimmrechte einer Gläubigergruppe. Im Vergleich zum Insolvenzplan ist das eine hohe Hürde. Sie stellt sicher, dass nur solche Änderungen angenommen werden, die aus Sicht einer qualifizierten Gläubigermehrheit billigenswert sind. 

Es könnte daher argumentiert werden, dass die Grenze der Gestaltbarkeit nicht die zwingende Erforderlichkeit der betreffenden Änderung, sondern vielmehr das in § 64 StaRUG normierte Schlechterstellungsverbot bildet. 

Dabei bleibt jedoch zu bedenken, dass das StaRUG einem Schuldner in einem frühen Krisenstadium die Möglichkeit bietet, die von ihm einbezogenen Restrukturierungsforderungen umzugestalten und bestimmten Änderungen zu unterwerfen, die bei Planannahme auch den opponierenden Gläubigern aufgezwungen werden. Das spricht – neben dem Wortlaut der Norm – für eine restriktivere Handhabung und dafür, nicht jede irgendwie dem Schuldner nützliche Änderung zuzulassen. Zudem mögen die Abstimmungsmehrheiten nach dem StaRUG zwar relativ hoch sein. In der Praxis dürfte jedoch die Zustimmung mancher Gläubiger mit Blick auf die Alternativlosigkeit des Restrukturierungsverfahrens nicht vollkommen freiwillig sein. Schließlich hat die Praxis bisher gezeigt, dass gescheiterte Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG schnell in einem Regelinsolvenzverfahren mit der Folge der Zerschlagung des Schuldners enden können. Gläubiger könnten sich daher faktisch gedrängt sehen, dem Restrukturierungsplan und den dort vorgesehenen Änderungen der bestehenden Rechtsverhältnisse zuzustimmen, um einen (nahezu) Totalverlust in einem Regelverfahren zu vermeiden.

Vor diesem Hintergrund ließe sich daher auch argumentieren, dass die Gestaltungstiefe des Restrukturierungsplans gesetzlich auf die Erforderlichkeit der Änderungen zur Erreichung des Restrukturierungsziels begrenzt sein muss. Mit der Bestimmung dessen, was "erforderlich" ist, haben Juristinnen und Juristen immerhin auch Übung. 

Ob sich die Ansicht des Amtsgerichts Köln durchsetzt, bleibt daher abzuwarten.

Neugestaltung von Bestimmungen

Ungeklärt ist zudem, ob man über einen Restrukturierungsplan auch völlig neue Regelungen in bestehende Verträge einfügen kann. Bisher gibt es, soweit ersichtlich, noch keine Gerichtsentscheidung zu der Frage, ob § 2 StaRUG dies ermöglicht. Eindeutig erlaubt das StaRUG die Gewährung neuer Kredite, die zur Finanzierung der Restrukturierung auf der Grundlage des Plans erforderlich sind (Fresh Money). Offen ist aber, ob – stattdessen oder ergänzend dazu – auch in bestehende Gläubigervereinbarungen, Konsortialkredite, Schuldscheine, Anleihen, Restrukturierungsvereinbarungen und ähnliche Verträge völlig neue Regelungen eingefügt werden können, beispielsweise Verpflichtungen für bestimmte Parteien oder bis dahin nicht angelegte Regelungen zum Rangverhältnis. Für die Zulässigkeit neuer Regelungen spricht, dass eine Abgrenzung zwischen Änderung und Neugestaltung im Einzelfall schwierig sein kann. Gegebenenfalls können inhaltlich neue Regelungen unter dem Deckmantel der Änderung von bestehenden Vereinbarungen eingeführt werden. Dagegen legt der Wortlaut der Norm nahe, dass die Einzelbestimmungen schon in der bestehenden Vereinbarung angelegt sein müssen. 

Daneben ist fraglich, ob der Gesetzgeber Finanzierungsgebern zumuten wollte, dass diese "nachträglich" gänzlich neuen Vertragsbestimmungen ausgesetzt werden. Hierzu man auf die gleichen Argumente zurückgegriffen werden, die oben für und gegen die Zulässigkeit lediglich zweckmäßiger Änderungen aufgeführt wurden. 

Keine Einbeziehung Dritter

Einigkeit besteht hingegen bei der Frage, ob auch in Rechte Unbeteiligter eingegriffen werden kann. Anders als § 2 Abs. 4 S. 1 StaRUG (der Eingriffe in gruppeninterne Drittsicherheiten vorsieht) ermöglicht § 2 Abs. 2 StaRUG gerade keine Eingriffe in die Rechte dritter Parteien, die keine Gläubiger oder Gesellschafter des Schuldners sind. Dies würde eine unzulässige Vertragsänderung zu Lasten Dritter bedeuten. Vertragsanpassungen, die sich auf Dritte erstrecken, bedürfen daher der Zustimmung dieser betroffenen Dritten; diese Zustimmung ist in den Plan (z.B. als Anlage) aufzunehmen.

Vereinbarungen zwischen Gläubigern (Intercreditor Agreements)

Regelmäßig bedienen sich Unternehmen einer Vielzahl an Finanzierungsinstrumenten (bspw. Konsortialkreditverträgen, Anleihen, Schuldscheindarlehen, bilaterale Kredite, Avale, Factoring, Leasing), die nicht in einem mehrseitigen Rechtsverhältnis, sondern in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen geregelt sind. Ohne eine Regelung zwischen den einzelnen Finanzierungsgebern besteht das Risiko, dass in Krisensituationen ein Wettlauf der Finanzierungsgeber um das Haftungssubstrat entsteht.

Um in der Krise einen Wettlauf der Finanzierer zu unterbinden, werden die Rangverhältnisse der einzelnen Finanzierungsgeber zueinander regelmäßig schon in guten Zeiten geklärt. Soweit sich das Rangverhältnis nicht aus der Besicherung und sachenrechtlichen Regeln ergibt, schließen die Finanzierer häufig Gläubigervereinbarungen miteinander ab, vor allem, wenn es sich um größere Finanzierungsvolumina und unterschiedliche Finanzierungsprodukte handelt. 

Solche Gläubigervereinbarungen enthalten aufeinander abgestimmte Regelungen zu Rechten, Pflichten und Rangfolgen der Forderungen bzw. Teilhabe an Verwertungserlösen der Finanzierer, um die Verwertung von Sicherheiten im Sicherungsfall zu koordinieren. In der Regel enthalten Gläubigervereinbarungen auch bereits differenzierte Mehrheitsregelungen für Änderungen, die je nach Gegenstand zwischen 66,66 % und 100 % der Drittgläubiger schwankt und ggfs. auch noch nach bestimmten Gläubigergruppen differenziert. Ähnliche Abstimmungsregelungen findet man auch in Konsortialdarlehen und teilweise in Schuldscheindarlehen. Nur bei Angelegenheiten, die mit Zustimmung von 66,66% der Gläubiger erledigt werden können, ist die Schwelle niedriger als im StaRUG. Typischerweise benötigt der Schuldner die Zustimmung aller Gläubiger, die Parteien zu der Gläubigervereinbarung sind, u.a. für die Änderung von Regelungen, welche den Zeitpunkt oder die Reihenfolge der Rückzahlung verschiedener Finanzierungsprodukte betreffen, die Befriedigungsrangfolge der betreffenden Gläubiger (einschließlich nachrangiger Gläubiger) sowie den Umfang oder die Freigabe von Garantien und Sicherheiten unter bestimmten Umständen.

Gestaltbarkeit von Gläubigervereinbarungen

Nicht selten ist eine Säule der Restrukturierung des Schuldners die Zuführung zusätzlicher Liquidität. Der zusätzliche Liquiditätsbedarf muss entweder von den bisherigen Finanzierungsgebern oder von neuen Finanzierungsgebern gedeckt werden. Frisches Kapital wird einem sanierungsbedürftigen Unternehmen regelmäßig nur gegen entsprechende Sicherheiten zur Verfügung gestellt. Die rettenden Finanzierungsgeber verlangen meist eine vorrangige Rückzahlung und vorrangige Befriedigung im Sicherungsfall. Wenn es bereits eine Gläubigervereinbarung gibt, muss sie daher an die neuen Verhältnisse angepasst werden.

Gläubigervereinbarungen können gemäß § 2 Abs. 2 S. 3 StaRUG im Restrukturierungsplan geändert werden. Denn im Unterschied zu § 2 Abs. 2 S. 1 StaRUG erfasst § 2 Abs. 2 S. 3 StaRUG Restrukturierungsforderungen und Absonderungsanwartschaften, die nicht auf einem mehrseitigen Rechtsverhältnis, sondern auf unterschiedlichen Rechtsverhältnissen beruhen.

In der Restrukturierung kann es sich beispielsweise anbieten, folgende Regelungen zu ändern:

  • Das relative Rangverhältnis zwischen den erfassten Forderungen

  • Vorgaben zur Verwertung von Vermögensgegenständen des Schuldners (distressed disposals)

  • Abstimmungsmehrheiten, insbesondere mit Blick auf die Ausübung von bzw. der Verzicht auf Kündigungsrechte(n), die Fälligstellung des Darlehens und/oder die Verwertung von Sicherheiten bzw. die Anweisung an den Sicherheitentreuhänder hierzu.

Muss der Schuldner Partei der Gläubigervereinbarung sein?

Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 S. 3 StaRUG sind Gläubigervereinbarungen nur gestaltbar, wenn neben den Gläubigern auch der Schuldner Partei der Vereinbarung ist. 

Dies entspricht auch der üblichen internationalen und nationalen, an die Empfehlungen der Loan Market Association (LMA) angelehnten Gestaltungspraxis: Typischerweise wird der Schuldner in die Gläubigervereinbarung einbezogen, um die Durchsetzbarkeit der Vereinbarung ihm gegenüber sicherzustellen und ihn insbesondere zu verpflichten, Zahlungen an die einzelnen Gläubigergruppen nur im Einklang mit den Regelungen der Gläubigervereinbarung vorzunehmen. Wirksam wäre sie jedoch – soweit sie keine Verpflichtungen des Schuldners enthält -  auch ohne seine Beteiligung. 

Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/24181, S. 112) formuliert hier entsprechend weicher, was dafür sprechen könnte, dass der Schuldner nicht zwingend Partei der Gläubigervereinbarung sein muss, um sie im Restrukturierungsplan zu ändern. Ob dies tatsächlich möglich ist, ist, soweit ersichtlich, bislang nicht gerichtlich entschieden. Der eindeutige Wortlaut der Regelung spricht jedoch dafür, dass die Gläubigervereinbarung nur gestaltbar ist, wenn der Schuldner ebenfalls Partei dieser Vereinbarung ist.

Zusammenfassung

  • Das StaRUG bietet mit § 2 Abs. 2 eine Regelung, um mehrseitige Vertragsverhältnisse jenseits des Schuldverschreibungsgesetzes restrukturieren zu können.
  • Es sprechen gute Argumente dafür, dass die erlaubte Gestaltung mehrseitiger Rechtsverhältnisse auf Grundlage eines Restrukturierungsplans auch zweckmäßige und nicht ausschließlich erforderliche Änderungen umfasst. 
  • Die Gestaltung von mehrseitigen Rechtsverhältnissen auf Basis des Restrukturierungsplans dürfte im Zweifel auch die Einfügung von Neuregelungen erlauben. 
  • § 2 Abs. 2 StaRUG ermöglicht keine Eingriffe in Rechte Dritter, die keine Gläubiger des Schuldners sind. Dritte können nur mit ihrer Zustimmung in den Restrukturierungsplan einbezogen werden.
  • Entsprechend dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 S. 3 StaRUG dürfte für die Änderung von Gläubigervereinbarungen auf Basis des Restrukturierungsplans erforderlich sein, dass neben den Gläubigern auch der Schuldner Partei der Vereinbarung ist. Dies ist in der typischen an die Empfehlungen der LMA angelehnten Vertragspraxis jedoch ohnehin schon der Fall.
     

 

Verfasst von Dr. Susann Brackmann und Dr. Antonia Wolf

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