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Die enormen wirtschaftlichen Auswirkungen der weltweiten COVID-19-Pandemie haben die deutsche Wirtschaft in vielen Bereichen massiv getroffen. Für viele Branchen hat sich das Geschäftsklima erheblich verschlechtert. Geschäfte bleiben geschlossen, Lieferketten brechen ab, Reisen sind nur sehr eingeschränkt möglich, Umsätze sind deutlich zurückgegangen und Unternehmen müssen Kurzarbeit oder Zwangsurlaub einführen, um laufende Kosten zu senken. Als Reaktion auf diese Entwicklungen hat die Regierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie entgegenzuwirken und die Betroffenen zu unterstützen. Milliardenschwere Hilfspakete umfassen diverse (Hilfs-)Maßnahmen wie staatliche Kredite, staatliche Garantien und verlorene Zuschüsse.
Neben diesen Maßnahmen, welche in erster Linie die Liquidität eines betroffenen Unternehmens sicherstellen sollen, hat die Regierung die Insolvenzantragspflicht unter bestimmten Voraussetzungen mehrfach ausgesetzt. Zusammengenommen bieten diese Maßnahmen finanzielle Unterstützung für Unternehmen und gewähren ihnen ein wenig Zeit, sich auf die neuen Herausforderungen einzustellen.
Gleichwohl wird eine Vielzahl von Unternehmen weiterhin unter den Auswirkungen der Krise leiden und in finanzielle Engpässe geraten. Um einen Verlust oder eine Zerschlagung des Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens im Wege des Verkaufs bzw. der Liquidation durch einen Insolvenzverwalter zu vermeiden, ist betroffenen Unternehmen dringend zu empfehlen, sich zeitnah mit der Möglichkeit einer umfassenden Restrukturierung auseinanderzusetzen.
Am 1. Januar 2021 ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) in Kraft getreten. Hiermit hat der Gesetzgeber die EU-Restrukturierungsrichtlinie für ein umfassendes Sanierungsinstrument außerhalb von formalen Insolvenzverfahren umgesetzt. Damit besteht jetzt auch in Deutschland für ein finanziell angeschlagenes Unternehmen eine konkrete Gestaltungsmöglichkeit in Eigenregie, ohne ein Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen.
Zusammengefasst beinhaltet das Restrukturierungsplanverfahren für das angeschlagene Unternehmen die folgenden wesentlichen Vorteile bei einer Restrukturierung:
Der Restrukturierungsplan kann Regelungen in Bezug auf wesentliche Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Anteile des in Not geratenen Unternehmens enthalten. Er kann insbesondere einen Forderungsverzicht zur Verringerung der Schuldenlast, Stundungen zur Sicherung der Liquidität sowie alle Arten von gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahmen umfassen. Weitergehend noch als im Gesellschaftsrecht ist ein Debt-Equity-Swap auch gegen den Willen der Altgesellschafter möglich. Der Restrukturierungsplan kann auch die Rechte der Inhaber von Forderungen gestalten, die durch gruppeninterne Drittsicherheiten gesichert sind. Ausgenommen sind Forderungen von Arbeitnehmern. Der Inhalt des Plans bleibt den Parteien im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben weitgehend überlassen. Das Planverfahren dient somit der Sicherstellung einer einvernehmlichen Gesamtlösung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern.
Der Plan muss von den Gläubigern genehmigt werden. Dies geschieht bei Eingriffen ohne die Zustimmung aller Betroffenen im sog. Erörterungs- und Abstimmungstermin. Dazu werden die Gläubiger in verschiedene Gruppen eingeteilt. Grundsätzlich ist zur Annahme des Plans die Zustimmung jeder Gläubigergruppe erforderlich. Die Zustimmung einer Gläubigergruppe erfordert eine Mehrheit von 75 Prozent der Stimmrechte in dieser Gruppe. Das bedeutet, dass abweichende Minderheitsgläubiger innerhalb einer Gruppe bei entsprechender Mehrheit der übrigen Gläubiger überstimmt werden können. Zudem kann die verweigerte Zustimmung ganzer Gruppen von Gläubigern bzw. Anteilsinhabern im Wege des sogenannten „Cross-Class Cram Downs“ durch das Gericht ersetzt werden. All dies ermöglicht dem angeschlagenen Unternehmen erhebliche Spielräume.
Entgegen der ursprünglichen Idee des Gesetzgebers, können durch einen Restrukturierungsplan außerhalb der Insolvenz laufende (langfristige) Verträge (z.B. langfristige Mietverträge) nicht beendet werden, soweit sie nach der erfolgreichen Umstrukturierung nicht mehr benötigt werden. Dies ist nur möglich durch Insolvenzpläne im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens, oftmals in Kombination mit einem Schutzschirmverfahren oder anderen Formen der Eigenverwaltung. Da der Restrukturierungsplan in weiten Teilen dem Insolvenzplan nachgebildet worden ist, bietet der Insolvenzplan im Übrigen ähnliche Gestaltungsmöglichkeiten wie oben für den Restrukturierungsplan dargestellt. Mediales Echo in Bezug auf dieses Sanierungsinstrument hat jüngst der Antrag der Adler Modemärkte AG auf Eröffnung eines entsprechenden Verfahrens in Eigenverwaltung mit dem Ziel eines Insolvenzplans gefunden. Weiteres prominentes Beispiel aus der letzten Zeit ist das Schutzschirmverfahren der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH. Das deutsche Insolvenzplanverfahren basiert auf dem US-amerikanischen Chapter 11-Verfahren, einem äußerst effektiven und viel genutzten Instrument zur Unternehmensrestrukturierung. Das Hogan Lovells Restrukturierungs-Team verfügt über weitreichende Erfahrung auf diesem speziellen Gebiet und kann auf eine Vielzahl erfolgreicher Sanierungen durch Insolvenzplan zurückblicken.
Sowohl der Restrukturierungsplan wie auch der Insolvenzplan dienen der Fortführung des Geschäftsbetriebs. Beide Sanierungsverfahren machen in den Fällen Sinn, in denen aus wirtschaftlicher Sicht eine realistische Chance besteht, dass der Betrieb tatsächlich saniert und fortgeführt werden kann. In einer Zeit, in der Unternehmen möglicherweise mit gravierenden, aber letztlich vorübergehenden Problemen konfrontiert sind, bieten beide Planverfahren hilfreiche Werkzeuge zur erfolgreichen Restrukturierung.
Autoren: Dr. Christian Herweg, LL.M. (Cambridge) und Dr. Jan Fürbaß