Hogan Lovells 2024 Election Impact and Congressional Outlook Report
Unternehmen haften künftig auch zivilrechtlich nach europäischen Vorgaben für Menschenrechts- und Umweltverletzungen entlang globaler Lieferketten. Am 24. April 2024 hat das Europäische Parlament die Corporate Sustainability Due Diligence Directive („CS3D“) verabschiedet. Vorangegangen waren mehr als zwei Jahre schwieriger Verhandlungen. Die Richtlinie sieht im Gegensatz zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) auch eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für Verstöße gegen manche in der Richtlinie vorgesehenen Sorgfaltspflichten vor. Das Risiko für Rechtsstreitigkeiten steigt.
Nach zähen Verhandlungen und trotz einer Enthaltung Deutschlands einigten sich die EU-Staaten im März auf einen Kompromisstext für die CS3D. Im Vergleich zu vorherigen Entwürfen wurde der Kompromisstext in wesentlichen Punkten abgeschwächt.
Insbesondere wurden die Schwellenwerte für Unternehmen, die in den Anwendungsbereich fallen, angehoben, indem die Zahl der Beschäftigten von 500 auf 1.000 und der Nettoumsatz von 150 Mio. € auf 450 Mio. € erhöht wurde (weltweiter Nettoumsatz für EU-Unternehmen / in der EU erzielter Nettoumsatz für Nicht-EU-Unternehmen). Mehr als zwei Jahre nach Vorlage des ersten Vorschlags der Europäischen Kommission hat nun auch das Europäische Parlament dem Kompromiss am 24. April 2024 zugestimmt. Die Richtlinie muss nach Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union bis zum Sommer 2026 im deutschen Recht umgesetzt werden.
Im Unterschied zur Lieferkette nach dem LkSG bezieht sich die CS3D auf die sogenannte Aktivitätskette (chain of activities), die alle vorgelagerten unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer (upstream), sowie auch beschränkte nachgelagerte Tätigkeiten erfasst (downstream). Unternehmen müssen nach der CS3D – anders als nach dem LkSG – auch bezüglich der mittelbaren Zulieferer anlassunabhängig tätig werden. Das heißt, dass mittelbare Zulieferer von Beginn an etwa in der Risikoanalyse und bei Präventionsmaßnahmen berücksichtigt werden müssen.
Neben lieferkettenbezogenen Sorgfaltspflichten sieht die CS3D vor, dass Unternehmen einen Übergangsplan (transition plan) für die Eindämmung des Klimawandels entwerfen und umsetzen müssen, um das 1,5°C Ziel des Pariser Klimaabkommens bestmöglich umzusetzen.
Bei Verstößen können Unternehmen durch umsatzbezogene Bußgelder sanktioniert werden. Aus deutscher Sicht ist die neu einzuführende zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für Verletzungen ihrer Sorgfaltspflichten besonders hervorzuheben.
Im Gegensatz zum LkSG hat sich die zivilrechtliche Haftungsklausel auch in der nun verabschiedeten Richtlinie durchgesetzt. Unternehmen haften künftig für Schäden, die auf der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus der CS3D beruhen. Dies betrifft sowohl Präventions-, als auch Abhilfemaßnahmen zu identifizierten Risiken oder Verletzungen.
Anspruchsinhaber kann jede natürliche oder juristische Person sein. Voraussetzung für eine zivilrechtliche Haftung des Unternehmens nach der CS3D ist in jedem Fall der Eintritt eines Schadens an einem nach innerstaatlichem Recht geschützten Rechtsgut, also etwa der Gesundheit. Dabei müssen die Mitgliedstaaten durch die Umsetzung im nationalen Recht sicherstellen, dass Unternehmen auch dann haften, wenn der Schaden in einem Drittland eingetreten ist, dessen Recht grundsätzlich vorrangig anwendbar wäre (Ausgestaltung als sog. Eingriffsnorm).
Der Schaden muss weiterhin durch den jeweiligen Verstoß des Unternehmens verursacht worden sein. Gerade das Kausalitätserfordernis könnte zu einer Begrenzung möglicher Schadensersatzforderungen beitragen, da Unternehmen nicht für Schäden haften sollen, die allein durch einen Geschäftspartner in der Aktivitätskette verursacht wurden. Eine Beweislastumkehr schreibt die CS3D nicht vor. Hier wird es entscheidend auf die Umsetzung des Gesetzgebers und die Handhabung der Gerichte ankommen.
Der Höhe nach soll der Schadensersatzanspruch auf eine vollständige Kompensation gerichtet, aber auch beschränkt sein: Eine Überkompensation durch Gewährung eines sog. Strafschadensersatzes (punitive damages) ist nicht vorgesehen.
Durch die unionsrechtliche Regelung soll sichergestellt werden, dass jeder (Mit-)Verantwortliche innerhalb der Wertschöpfungskette haftbar gemacht werden kann. Die Haftung des schadensersatzpflichtigen Unternehmens führt deshalb nicht dazu, dass Geschäftspartner ihrerseits nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können. Vielmehr können Tochtergesellschaften oder direkte und indirekte Geschäftspartner in der chain of activities gesamtschuldnerisch haften.
Die letzten Verhandlungen zur CS3D führten zwar einerseits zur Abschwächung der vorgesehenen unternehmerischen Haftung. Andererseits wurden Vorschriften eingeführt, die die gerichtliche Durchsetzung eines etwaigen Anspruchs vereinfachen sollen: Die CS3D sieht ein Disclosure-Verfahren vor, bei dem das Gericht die Offenlegung bestimmter Beweismittel durch das betroffene Unternehmen anordnen kann. Außerdem können – wie nach dem LkSG – Gewerkschaften und NGOs von mutmaßlich Geschädigten ermächtigt werden, für diese Klage zu erheben.
Die CS3D wird nach dem derzeitigen Stand nicht in den Kanon der EU-Normen aufgenommen, die mit der Verbandsklage zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher durchgesetzt werden können. Da sich der deutsche Gesetzgeber dagegen entschieden hat, in Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie eine Beschränkung auf bestimmte Rechtsnormen aufzunehmen, könnten ggfs. klageberechtigte Verbände auch ohne konkrete Autorisierung durch einzelne Betroffene versuchen, zivilrechtliche Ansprüche wegen Verletzung der CS3D im Wege der Abhilfeklage durchzusetzen.
Darüber hinaus müssen die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben darauf achten, dass nationale Regelungen nicht zu einer unangemessenen Behinderung der Durchsetzung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs führen. Daher muss etwa die Verjährungsfrist für die Erhebung einer Klage auf Schadensersatz mindestens fünf Jahre betragen und darf keinesfalls kürzer sein, als die Verjährungsfrist für die allgemeine zivilrechtliche Haftung. Zudem muss bei der nationalen Umsetzung sichergestellt werden, dass die Kläger auch Unterlassungsmaßnahmen, vor allem im Eilrechtsschutz, verlangen können.
Aufgrund der CS3D wird das deutsche LkSG entsprechend angepasst werden müssen. Neben der Einführung der beschriebenen Haftungsregelungen ist zu erwarten, dass die LkSG-Sorgfaltspflichten entsprechend der ausführlichen Vorgaben der CS3D weiterentwickelt und ausdifferenziert werden.
Um regulatorische Risiken zu minimieren und einen zivilrechtlichen Haftungsfall zu vermeiden, sollten bereits verpflichtete Unternehmen die implementierten Sorgfaltsprozesse überarbeiten und anpassen. Im dichter werdenden ESG-Regelungsgeflecht von CS3D, Entwaldungs-VO, dem ebenfalls verabschiedeten Importverbot für Waren aus Zwangsarbeit, Batterie-VO und CSRD sind klare, konsistente und verknüpfte Compliance- und Berichtsprozesse von zentraler Bedeutung für eine robuste ESG-Compliance.
Verfasst von: Dr. Detlef Hass, Dr. Christian Ritz, Dr. Matthias M. Schweiger, Dr. Cora Brickenkamp, Dr. Jessica Goetsch, Dr. Felix Werner und Dr. Carla Wiedeck